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Freikirchen: Die Gemeinde Gottes

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Logo der Gemeinde Gottes Deutschland

Foto: PR

Geistesgaben sind ein wichtiges Element im Glauben der Pfingstkirche "Gemeinde Gottes", ihr Gottesdienst ist unkonventionell und lebendig. Wir stellen Entstehung, Struktur und Glaubensinhalte im Rahmen unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen" vor.

Die Gemeinde Gottes Deutschland entstammt einer der ältesten Pfingstbewegungen, der Church of God mit Sitz im nordamerikanischen Cleveland, Tennessee. Ihre Ursprünge nahm die Gemeinde Gottes, die sich nach dem 1. Korintherbrief benannt hat, in der  frühen Erweckungs- und Heiligungsbewegung.

In Deutschland gibt es 70 Gemeinden

Die ersten deutschen Gemeinden der Pfingstkirche entstanden Ende der 1930er Jahre in Süddeutschland. Der Bund Gemeinde Gottes in Deutschland wurde 1936 in Stuttgart gegründet. Impulsgeber war Herman Lauster. Lauster stammte ursprünglich aus Deutschland, war Mitte der 1920er Jahre in die Vereinigten Staaten emigriert und lebte in Grasonville, Maryland, als Farmer. Dort schloss er sich auch der Church of God an. Aufgrund einer göttlichen Vision sei er mit seiner Frau Lydia nach Deutschland zurückgekehrt. Lauster wurde im August 1938 von den Nationalsozialisten verhaftet und wegen seiner Predigertätigkeit für sieben Monate ins KZ Welzheim gebracht. Nach dem Ende des Krieges intensivierte er seine Tätigkeit als Prediger bis zu seinem Tod 1964. Die ersten Gemeindezeitschriften und Bibelseminare entstanden.

Weltweit ist die Gemeinde Gottes in 178 Ländern aktiv und hat rund 10 Millionen Mitglieder, wovon 750.000 in Europa leben. In Deutschland ist die Mitgliederzahl mit etwa 3.500 in über 70 Gemeinden eher gering. Hier agiert die Freikirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR).

"Charakteristisch für die Gemeinde Gottes ist bis heute, dass sie dem Heiligen Geist große Freiheit in den Versammlungen einräumt und einen biblischen Lebenswandel betont", heißt es auf der Website der Gemeinde Gottes. Der Heilige Geist drückt sich durch Geistesgaben wie Zungenreden aus. In vielen Gemeinden finden zudem regelmäßig Heilungsgebete statt.

Mitgliedschaft durch bewusste Entscheidung

Durch ihre vier Kernwerte sehen sie sich als Gemeinde des Wortes, des Heiligen Geistes, der Mission und der Heiligkeit. Als Grundlage für ihren Glauben gilt die Bibel. Die Exegese variiert in den Gemeinden von wörtlich bis hin zu gemäßigt historisch-kritisch. In ihrer Theologie sind die fünf pentekostalen Fundamentalien Heil, Heiligung, Geistestaufe, Heilung und die Heilserwartung von zentraler Bedeutung. Das Abendmahl feiert die Gemeinde Gottes etwa alle fünf Wochen symbolisch, es erfolgt also keine Wandlung. Sie erinnern sich zwar an das Opfer Jesu am Kreuz, blicken aber tendenziell eher nach vorne, um sich auf das Wiederkommen Christi vorzubereiten.

Die Mitgliedschaft in der Gemeinde Gottes ist an keine besonderen Bedingungen geknüpft. Sie muss aus freien Stücken heraus geschehen, also eine bewusste Entscheidung sein. Getauft werden daher auch nur Erwachsene. Die Prozedur geschieht durch Untertauchen. Eine Wiedertaufe bei Eintritt in die Gemeinde ist nicht nötig, sofern die Person zuvor schon bewusst getauft wurde.

Obwohl es einen Pastor gibt, der der Gemeinde vorsteht, lebt die Gemeinde nach dem Prinzip des Priestertums aller Gläubigen. Der Gemeindeleiter hat eine koordinierende und organisatorische Funktion inne. Die Organisation ist hierarchisch aufgebaut, funktioniert in den jeweiligen Gremien aber nicht autoritär, sondern demokratisch. Bei Bauentscheidungen oder Pastorenwechsel werden beispielsweise die Gemeindemitglieder miteinbezogen. Die Gemeindemitglieder treffen sich zudem außerhalb der Kirche in sogenannten Hauskreisen. Dort vertiefen sie beispielsweise im Gespräch das Thema der vorangegangenen Predigt.

Als Missionskonzept orientieren sie sich am Bibelvers "Suchet der Stadt Bestes", Jeremia 29,7. Sie wollen nicht nur von Liebe reden, sondern sie vor allem praktizieren. Das heißt, dass sich die Gemeinde Gottes aktiv in das Gesellschaftsleben einbringt und an Stadtfesten teilnimmt, Ermutigungsbroschüren verteilt oder Kinderfeste organisiert.

Gottesdienste finden oft zweisprachig statt

Frauen sind in Leitungsstrukturen teilweise eingebunden und dürfen predigen. Auf Pastorenebene gliedern sich die Pfingstgemeinden in drei Stufen: Pastoralassistenten, ordinierte Prediger und ordinierte Pastoren. Die letzte und oberste Stufe ist für Frauen verschlossen.

Die Pfingstgemeinden bekennen sich klar zum klassischen Familienbild. Sie lehnen die Ehescheidung ab, schließen Geschiedene aber nicht aus den Gemeinden aus. Ähnlich verhalten sie sich zur Homosexualität, die sie grundsätzlich als Sünde ansehen. Sie lehnen jedoch die Sünde an sich ab und nicht den Sünder als Person. Solange die sexuelle Orientierung also nicht ausgelebt werde, sei eine Mitgliedschaft in der Gemeinde möglich.

Die Gemeinden sind zentralistisch organisiert und unterstehen dem Bund "Gemeinde Gottes in Deutschland", auch Deutscher Bund genannt. Der Bund agiert eigenständig, ist aber eng mit den amerikanischen Pfingstlern vernetzt. Zweisprachige Gottesdienste sind daher keine Ausnahme. Sie bekennen sich zur Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) und sind Mitglieder des Forums Freikirchlicher Pfingstgemeinden (FFP) sowie der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF).


Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden hält an Willkommenskultur fest

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Die Leitung des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) will weiterhin unbeirrt an der Seite von Flüchtlingen stehen.

In ihrer am Donnerstagabend veröffentlichten Stellungnahme weisen Präsidium und Bundesgeschäftsführung "alle Versuche zurück, aus dem schrecklichen Attentat von Paris politisch Kapital zu schlagen und die Flüchtlingsfrage damit zu vermischen". Man dürfe Opfer nicht wie Täter behandeln, denn schließlich seien viele Flüchtlinge "gerade deshalb aus ihren Ländern geflohen, weil dort im Namen des Islam Krieg geführt oder totalitäre Gewalt ausgeübt" werde.

Auch auf die Furcht vor einer möglichen Islamisierung der Gesellschaft gingen Präsidium und Bundesgeschäftsführung des BEFG ein: Ängste würden auch durch einzelne Predigten geschürt. "Wir wenden uns gegen unsachliche Darstellungen, religiöse Verallgemeinerungen, aus dem Zusammenhang gerissene und deshalb irreführende theologische Aussagen sowie unverantwortliche Panikmache im Blick auf die muslimischen Flüchtlinge", heißt es in der Stellungnahme. Eine wachsende Zahl muslimischer Mitbürger werde die Gesellschaft verändern. Doch Baptisten stünden für Religionsfreiheit. So habe Julius Köbner, einer der Gründerväter des deutschen Baptismus, bereits 1848 religiöse Freiheit "in völlig gleichem Maße für Alle" gefordert, "seien sie Christen, Juden, Muhamedaner oder was sonst".

Darüber hinaus würdigt die Leitung des BEFG den Einsatz ihrer Gemeinden in der Flüchtlingshilfe. Prioritäten müssten neu gesetzt und und die Terminkalender der Gemeinden vorübergehend neu gestaltet werden. Ziel sei, dass der Einsatz für Flüchtlinge "so gut wie möglich in das normale Gemeindeleben integriert" werde.

Zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden gehören 673 Baptisten- und 128 Brüdergemeinden mit insgesamt etwa 82.000 Mitgliedern.

Freikirchen: Die Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)

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Freikirchen: Die Religiöse Gesellschaft der Freunde, Quäker

Foto: PR

Inneres Licht, Stille Andacht und radikale Friedensethik: Die Quäker sind eine Religionsgemeinschaft mit christlichem Ursprung, in der es um Gotteserfahrung und Glauben im Alltag geht. Ein Hintergrund im Rahmen unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Der junge Engländer George Fox (1624-91), ein christlicher Schuhmacherlehrling, verließ sein Elternhaus mit 19 Jahren auf der Suche nach Spiritualität. Die Christen seiner Zeit, so fand er, lebten nicht entsprechend der Lehre der Kirche. In seinem Suchen nach echtem Glauben hatte Fox 1647 eine Audition, er hörte eine Stimme sagen: "Es gibt einen, und zwar Jesus Christus, der zu deiner Gemütsverfassung sprechen kann." Von nun an versuchte Fox, anderen seine Auffassung von ursprünglichem Christentum mitzuteilen, das er wiederentdeckt zu haben glaubte. Dabei ging es ihm um die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Der erste Quäker-Theologe Robert Barclay (1648-80) schreibt in seinem Buch "An Apology for the True Christian Divinity" von der "immediate revelation", der unmittelbaren Offenbarung Gottes im Herzen eines Menschen. Sie sei wie eine innere Erleuchtung ("inward illumination") durch den Heiligen Geist (Johannes 1,9).

"Es ist in erster Linie eine Religionsgemeinschaft"

Der Name der Religionsgemeinschaft lautet offiziell "Religious Society of Friends (Quakers)", auf deutsch "Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)". Der Name kommt vom englischen "to quake", zittern, weil zu Fox' Zeiten gesagt wurde, sie zitterten in ihrem religiösen Eifer. Obwohl es anfangs ein Spottname war, übernahmen ihn die Quäker parallel zu ihrem Begriff "Freund" oder "Freundin", den sie aus dem Johannesevangelium entnahmen (Johannes 15,14). Wer Mitglied werden will, stellt einen schriftlichen Antrag und wird zu einem Gespräch eingeladen; Doppelmitgliedschaften sind möglich; wer an Quäker-Treffen teilnehmen, aber nicht beitreten will, ist als "Freund/Freundin der Freunde" willkommen.

Bei den Quäkern gibt es keine Bekenntnisschriften und keine Dogmen, keine Pfarrer und keine Sakramente im Sinne von äußerlichen Zeremonien. Im Mittelpunkt des spirituellen Lebens steht die Stille Andacht, die sonntags gefeiert wird und meistens eine Stunde dauert. Ganz ohne Bibelwort, Gesang oder Liturgie sitzen die Freundinnen und Freunde schweigend im Kreis, warten und öffnen sich gemeinsam der göttlichen Offenbarung. "Es gibt keine festen Regeln, was in einer Andacht passieren soll. Das soll jeder selbst erleben und für sich erfahren", sagt der Berliner Historiker und Quäker Claus Bernet. Wer in der Andacht einen Gedanken laut mitteilen will, darf das tun, ohne dass die Äußerung kommentiert oder diskutiert wird.

Die Bibel ist für Quäker wichtig, doch "die Freunde weigern sich, die Bibel zum endgültigen Kriterium für die richtige Lebensgestaltung und die wahre Lehre zu machen", heißt es in der Broschüre "Quäker heute in Deutschland und Österreich". Die Offenbarung Gottes beschränkt sich für Quäker eben nicht auf die Vergangenheit, sondern ist in der Gegenwart erfahrbar. Sie sehen sich als eine Gemeinschaft von Suchenden, nicht als Verteidiger festgeschriebener Wahrheiten. Dementsprechend gibt es bei den Freunden eine große Bandbreite von Überzeugungen von liberal bis konservativ, von pietistisch bis humanistisch. Auf die Frage, ob Quäker Christen sind, geben die Freunde unterschiedliche Antworten. Claus Bernet sagt: "Es ist in erster Linie eine Religionsgemeinschaft, wobei auch Menschen mit einem anderen religiösen Hintergrund sofort in der Lage sind, an einer Quäkerandacht teilzunehmen." Die Missionierung Andersgläubiger liegt den Quäkern fern.

Freundinnen und Freunde fühlen sich mit ihrem Handeln direkt vor Gott verantwortlich. Im Mittelpunkt der Quäker-Ethik stehen die Zeugnisse der Einfachheit, der Wahrhaftigkeit, der Gleichwertigkeit und des Friedens, wobei "Zeugnis" bedeutet, nach der inneren Überzeugung zu leben. Quäker sein sei "das Erleben von Alltag in einer religiösen Deutung – aber sehr individuell", fasst Claus Bernet zusammen. Quäker lehnen Krieg, Kriegsdienst und Aufrüstung entschieden ab. Ihre radikale Friedensethik führte im 20. Jahrhundert zur Gründung von Quäkerbüros bei der Europäischen Union in Brüssel und bei den Vereinten Nationen in Genf und New York, um dort pazifistische Positionen einzubringen. Auch Hilfsarbeit gehört zum Selbstverständnis der Quäker: Für ihre Schulspeisungen nach beiden Weltkriegen in Deutschland bekamen die amerikanischen und britischen Hilfsdienste der Quäker 1947 den Friedensnobelpreis. Die deutschen Freunde gründeten 1963 den Verein Quäker-Hilfe.

In Deutschland gab es Quäkergruppen schon im 17. Jahrhundert, doch sie fielen religiöser Verfolgung zum Opfer. Erst um 1790 wurde eine Gruppe in Bad Pyrmont geduldet, wo das bis heute einzige Quäkerhaus steht. 1925 schlossen sich die deutschen Gruppen zur "Deutschen Jahresversammlung" zusammen, 1938 kamen die österreichischen dazu. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 260 Freundinnen und Freunde, die größte Gruppe in Berlin hat etwa 25 Mitglieder. Finanziert wird die Arbeit durch freiwillige Beiträge. In der "Ordnung des Zusammenlebens" sind vor allem die organisatorischen Angelegenheiten der deutschen Quäker zusammengefasst.

Die Religiöse Gesellschaft der Freunde gehört mit Beobachterstatus zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), auf regionaler Ebene zum Teil mit Gaststatus. Den globalen Zusammenschluss bildet seit 1937 das Beratende Weltkomitee der Freunde (Friend's World Committee for Consultation (FWCC). Weltweit gibt es laut dem FWCC rund 380.000 Quäker (Stand 2012), gut die Hälfte davon in Afrika und mehr als ein Drittel in Amerika.

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Freikirchen: Die Mennoniten

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Menno Simons, gemalt von Jacob Burghart (Ausschnitt).

Foto: Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons

Menno Simons, Namensgeber der Mennoniten, gemalt von Jacob Burghart (Ausschnitt).

Mennoniten bilden die älteste evangelische Freikirche der Reformation. Gemeinsame Kennzeichen der heute sehr pluralen Gemeindebewegung sind die Erwachsenentaufe und die Betonung der Friedensethik. Ein Hintergrund im Rahmen unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Die Mennoniten sind aus der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts hervorgegangen – im Zuge der Reformation um Zwingli in der Schweiz. Von der Schweiz breiteten sich die Täufer nach Österreich und entlang der Rheinschiene in Deutschland und Holland aus. Der Friese Menno Simons (1496-1561) ist Namensgeber der Mennoniten. Der Geistliche lebte im Gebiet der heutigen Niederlande. Er lernte die Ideen Martin Luthers kennen, kam aber zu anderen Schlüssen und versammelte die friedlichen Täufer um sich. Weil die Mennoniten den Dienst an der Waffe und den Eid ablehnten und schon früh die Trennung vom Staat propagierten, sind sie verfolgt worden.

Besonders verwerflich war für die Landesfürsten und etablierten Kirchenvertreter die obrigkeitskritische Haltung der Mennoniten, die sich durch ihre Verfolgung sicher verschärfte. Auch die Erwachsenentaufe war Stein des Anstoßes – Simons ging es dabei um die Mündigkeit im Glauben, bezeugt durch die Taufe. Weil sie verfolgt wurden, mussten viele Mennoniten quer durch Europa fliehen. Andere wanderten nach Nord- und Südamerika aus.

Mennoniten kennen bis heute kein Lehramt und in der Regel auch kein Bischofsamt. Sie setzen auf die Autonomie der Gemeinden, die auch über Lehrmeinungen selbst entscheidet. Mennoniten wünschen sich mündige Christen, die das "Priestertum aller Gläubigen" in den Gemeinden realisieren, sagt Professor Fernando Enns, Leiter der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen am Fachbereich der Evangelischen Theologie der Universität Hamburg. Das Wort und die Auslegung der Bibel durch Pastoren und Laien stehen im Zentrum ihres Glaubens. In der Taufe bekennen sich Jugendliche oder Erwachsene zur mennonitischen Gemeinde. Jegliche Gewalt, auch kirchliche Hierarchien werden in der evangelischen Freikirche abgelehnt.

So gibt es zwar keine Dogmen, aber doch Bekenntnisschriften wie das Schleitheimer Bekenntnis (Schweiz 1527). In sieben Artikeln umriss man damals die Grundzüge mennonitischen Glaubens. Im Jahr 2006 hat die Mitgliederversammlung der Mennonitischen Weltkonferenz in Pasadena (Kaliforien) ein gemeinsames Bekenntnis abgelegt. Die Nachfolge Jesu bedeutet auch: "So werden wir Friedensstifter, die der Gewalt absagen, ihre Feinde lieben, nach Gerechtigkeit trachten und ihren Besitz mit Notleidenden teilen."

Von liberal bis konservativ

In Deutschland leben heute rund 60.000 Mennoniten, weltweit ca. 1,7 Millionen – gezählt werden nur die erwachsenen Getauften, sagt Fernando Enns. Der Kontinent Afrika hat bezüglich der Anzahl der Mitglieder mittlerweile Nordamerika überholt, Asien kommt an dritter Stelle und Europa bildet das Schlusslicht.

In Süddeutschland, am Rhein, in Hamburg und Friesland gibt es Jahrhunderte alte Gemeinden, die durch Flüchtlinge aus der Weichselgegend in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg neuen Zuzug erhielten. Nach Danzig waren Holländer geflohen, um der Verfolgung in den Niederlanden im 16./17. Jahrhundert zu entkommen. In Deutschland sind durch den Zuzug der Russlanddeutschen in den 70er bis 90er Jahren viele neue mennonitische Gemeinden entstanden, die eigene Organisationen gründeten.

Die Mennoniten bildeten von Anfang an eine plurale Bewegung. Recht früh spalteten sich die Amischen von ihnen ab und gingen weltabgewandte, konservative Wege für ihren Glauben. Mennoniten suchen im gemeinsamen Studium der Bibel und in der Gemeinschaft herauszufinden, wie die Botschaft Gottes heute zu verstehen sei. Weil jede Gemeinde autark ist, bestimmt sie auch weitgehend die eigene theologische Richtung. Heute gibt es daher eine bunte Vielfalt an Gruppen und Verbänden, in denen sich die Mennoniten organisieren. Das Spektrum reicht von liberalen, politisch links stehenden Gemeinden über durch die Aufklärung geprägte Mennoniten bis hin zu konservativen Ausrichtungen, die die Bibel wortwörtlich auslegen.

Doch generell versuchen die Arbeitsgemeinschaften, die Bekenntnisse früherer Zeiten nicht im Wortlaut absolut zu setzen, sondern sie immer wieder neu an die Zeit anzupassen und zu hinterfragen, sagt der Friedenstheologe Enns. So gehörten die Mennoniten auch zu den ersten christlichen Gemeinden, die Pastorinnen einstellten.

Es gibt aber auch eine dunkle Zeit der Mennoniten. Im Zweiten Weltkrieg, während der Nazizeit, "waren die Mennoniten leider, leider nicht besser als die meisten anderen Menschen in Deutschland", sagt Enns. Trotz ihrer Friedenstradition wurden auch Mennoniten zu Mitläufern. Sie verleugneten ihr Ideal, den Dienst an der Waffe zu verweigern oder wenigstens zu umgehen. "Man kann sagen, dass nach dem zweiten Weltkrieg ein theologischer Zusammenbruch in Deutschland erfolgte", sagt Enns. Doch das Konzept der mennonitischen Friedenskirche in Europa wurde neu ausgelotet. Die Aufarbeitung dieses Versagens im Zweiten Weltkrieg hat erst begonnen.

Soziales Engagement und Ökumene

Als historische Friedenskirche setzen die Mennoniten auf die Bekämpfung der Armut und das Engagement gegen Ungerechtigkeit in der Welt. Mennoniten nennen dies den "gewaltlosen Dienst am Mitmenschen". Das sind die Eckpfeiler, die die Kirche lange getragen haben. In Berlin wurde in dieser Tradition auch das "Mennonitische Friedenszentrum" gegründet, das neue Konzepte der Friedensarbeit etwa durch Gewaltprävention befördert.

Als Freikirche finanzieren Mennoniten ihre Pastoren und ihre Gemeindearbeit aus freiwilligen Abgaben und Spenden ihrer Mitglieder. Man betont die Trennung von Kirche und Staat. Der innerchristlichen Ökumene sind viele alteinsessenen Gemeinden gegenüber aufgeschlossen, es gibt aber auch Skeptiker. Mennoniten sind Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK).

Weil die einzelnen Gemeinden unabhängig sind (konkregationalistisches Selbstverständnis), gibt es keine übergeordnete Organisation wie ein Kirchenparlament, sondern nur Arbeitsgemeinschaften. Der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) haben sich beispielsweise 56 Gemeinden mit mehr als 5000 Mitgliedern zusammengeschlossen. Daneben gibt es zahlreiche Verbände von alteingesessenen Gemeinden und russlanddeutschen Mennoniten. Die Mennonitische Weltkonferenz (MWK) bündelt die Arbeit vieler Verbände noch einmal.

Vollkommen frei: Die Mennoniten in Hamburg

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Gottesdienst in der Kirche der Mennoniten in Hamburg-Altona.

Foto: Mechthild Klein

Gottesdienst in der Kirche der Mennoniten in Hamburg-Altona.

Die Kirchen der Mennoniten sind traditionell schmucklos, oft sogar ohne Kreuz. Namensgeber der evangelischen Freikirche ist der friesische Täufer Menno Simons (1496-1561). Die freiheitsliebenden Gemeinden legen Wert auf das Wort Gottes und auf eine friedliche Gesinnung. Für unsere Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen" hat Mechthild Klein am Ewigkeitssonntag an einem Gottesdienst in Hamburg-Altona teilgenommen.

Schlicht wirkt die Kirche der Mennoniten in Hamburg-Altona von innen. Abgesehen von einem Blumengesteck ist der Raum schmucklos, lediglich vier alte Ölporträts an den Seitenwänden zeigen die bekannten Prediger der Gemeinschaft. In der Mitte des Chorraums, wo in anderen Kirchen der Altar steht, blicken die Mennoniten auf eine erhöhte Holzkanzel. Denn die Predigt und das Wort Gottes stehen im Zentrum der ältesten evangelischen Freikirche der Reformation, die einst aus der Täuferbewegung hervorging.

Ungewohnt für Außenstehende ist die Aufteilung des Chorraums. Rechts und links neben der Kanzel sitzen die ehrenamtlichen Prediger und die gewählten Vertreter des Kirchenrats. Bei den Mennoniten wird vieles "basisdemokratisch" entschieden, zum Beispiel ob der Pastor und die ehrenamtlichen Prediger und Kirchenräte weitere sieben Jahre den Dienst in der Gemeinde versehen sollen oder nicht. Oder für welche Hilfsprojekte sich die Kirche engagiert. Mennoniten pflegen ihren "antiklerikalen Charakter", erläutert Pastor Bernhard Thiessen die Strukturen seiner Gemeinschaft, es gibt keine Hierarchie der Ämter.

Langsam füllen sich die Bänke. 60 von insgesamt 384 Gemeindegliedern kommen an diesem Ewigkeitssonntag. Viele reisen aus entfernten Stadtteilen oder dem Umland an, sie werden in diesem Gottesdienst ihrer Verstorbenen gedenken. Der Organist begleitet das Kirchenlied "Wachet auf, ruft uns die Stimme" von Philipp Nicolai aus dem Jahr 1598. Die fröhliche Melodie unterstreicht die Hoffnung auf Auferstehung. Der alte Text kündet von der mystischen Hochzeit Christi mit der menschlichen Seele, dargestellt im Sinnbild der Jungfrau, die auf den Bräutigam wartet. Mit einem Lichterritual wird das Gedenken gestaltet. Zu jedem vorgelesenen Namen eines Verstorbenen gehen Angehörige nach vorne und zünden eine Kerze an. Am Ende leuchten mehr als 20 Lichter, nicht nur für die Toten der Gemeinde. Auch für alle anderen Toten, die Opfer von Attentaten und auch die Täter. Mennoniten betonen Christi Ideal der Feindesliebe - allerdings muss jeder für sich entscheiden, was das konkret bedeutet.

Auferstehungs-Theologie mit Eberhard Jüngel und Bob Marley

Thema der Lesung sind zwei Paulusbriefe aus dem Neuen Testament (Römer 6,1-11 und 8,38-39; 1. Korinther 15,35,42-44, 55-57), keine leichten Texte: Es geht um die Auferstehung. Pastor Thiessen steigt auf die Kanzel. 20 Minuten lang spricht er über die Entwicklung des Auferstehungsgedankens, angefangen vom Scheol (Schattenreich) aus der hebräischen Bibel bis zur Auferstehungstheologie des Apostels Paulus. Erst im 2. Jahrhundert vor Christus erstarkte im Judentum die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, das Gerechtigkeit und einen Ausgleich verspricht für die Leiden in der Welt. Thiessen ist seit 14 Jahren gewählter Pastor der Gemeinde, er probiert gerne neue Gedankengänge aus.

Pastor Bernard Thiessen

So zitiert er zum Beispiel auch Bob Marley und Woody Allen. Die Auferstehungsgeschichte muss nicht bitterernst vorgetragen werden, findet Thiessen. Die Betonung legen Mennoniten ohnehin aufs Diesseits. Es gibt eine Hoffnung, sagt der Pastor. Es ist "die Beziehung Gottes zum Menschen" und dass "Gott den Menschen auch im Tod nicht verlässt". Er baut Gedanken aus der Theologie Eberhard Jüngels aus Tübingen ein: "Tod bedeutet Beziehungslosigkeit." Und Sünde ist keine moralische, sondern eine theologische Kategorie: Sünde heißt, Gott und damit sein Lebensziel zu verfehlen. Im Umkehrschluss bedeutet das: "Durch Jesu Christus sind wir in Ewigkeit mit Gott in Beziehung. Deshalb können wir Jesus nachfolgen und nach seiner Gerechtigkeit suchen."

Es bleiben Fragen, die die Theologie nicht erklären kann. "Wie Gott mit der Trennung von Person und Tat am Ende umgeht - diese Gedanken müssen wir noch mehr vertiefen", schließt der Pastor. Dennoch brauche niemand Angst vor dem Tod und der Ewigkeit zu haben. "In der Taufe und in der Beziehung zu Gott bist du hineinversenkt und herausgehoben, so dass du nicht ins ewige Nichts fällst, sondern mit Gott in Jesus Christus verbunden bleibst." Nach so viel geistiger Nahrung braucht die Gemeinde ein Orgellied zum Verschnaufen.

Weil Totensonntag ist, feiert die Mennonitengemeinde in Altona das Abendmahl. "Ein seltenes Ereignis, was nur drei bis fünf Mal im Jahr an hohen Feiertagen stattfindet", erläutert Kirchenvorsteher Thomas Schamp. Das Abendmahl ist wie bei den reformierten Christen als Erinnerungsmahl zu verstehen. Ausdrücklich wird niemand vom Mahl ausgeschlossen. Der Pastor und die ehrenamtlichen Helfer versammeln sich um den kleinen Tisch mit Traubensaft und Brot. Beim Abendmahl geht es um die Verbundenheit mit Jesus Christus und der Gemeinde untereinander. Thiessen betet: "Guter und barmherziger Gott (...), sende du uns und deiner ganzen Welt deinen heiligen Geist, dass er uns hilft, einander anzunehmen, wie du uns angenommen hast in deinem Sohn. Das Brot verbinde uns untereinander mit deiner Liebe und deinem Leben, die Frucht des Weinstocks stärke uns untereinander mit dem Leiden und dem Sterben deines Sohnes." Die Einsetzungsworte besagen, dass das Mahl zum Gedächtnis an das letzte Abendmahl Jesu geschieht. Die Helfer reichen Brotstücke und die Kelche mit Traubensaft von Bank zu Bank. Alles geschieht schweigend.

Nach Vaterunser, Segen und Abschlusslied trifft sich die Gemeinde noch zum Kaffee im Nebenraum. Was lebhaft genutzt wird - an diesem Tag auch, um den Gottesdienstabauf zu reflektieren: Ja, es gibt Unterschiede zum lutherischen Ablauf. Es wird kein Sündenbekenntnis und kein Glaubensbekenntnis gesprochen und doch ist dies deutlich eine evangelische Tradition. Mennoniten sind in ihrer Liturgie völlig frei.

Alte Gemeinde auf St. Pauli

Die Hamburger Gemeinde gibt es seit mehr als 400 Jahren. Als die Gläubigen aus Friesland und Amsterdam fliehen mussten, kam auch Menno Simons nach Holstein, zwei Tagesmärsche nördlich von Hamburg. In der Hansestadt waren die ersten Mennoniten zunächst Walfänger, später Händler und Reeder. Sie hielten an ihrem Glauben fest und 200 Jahre lang wurde im Gottesdienst nur niederländisch gesprochen. Heute stammt ein Teil der Gemeinde aus der Weichselgegend in Polen, wohin ihre Mennonitenvorfahren aus Holland geflohen waren.

Vor den Toren Hamburgs, an der Großen Freiheit in St. Pauli, stand zuvor ihr Kirchlein. Doch vor 100 Jahren wollte die wohlhabende Gemeinde raus aus dem Rotlichtviertel. Zuviel Schankwirtschaft vor den Türen, das gefiel den Mennoniten nicht. Die Stadt bot ein Grundstück zum Tausch an. In Altona sollte ein schmuckes Villenviertel entstehen, doch daraus wurde nichts. Die damals wohlhabende Gemeinde baute zwar eine schöne Backsteinkirche, doch die Gegend entwickelte sich zu einem eher schlichteren Wohngebiet.

Gegenüber der Altonaer Mennonitenkirche entstand zeitgleich vor 100 Jahren die evangelisch-lutherische Pauluskirche. Über die Jahre entwickelte sich eine gelebte Ökumene. Als die Pauluskirche im Krieg zerbombt wurde, boten die Mennoniten ihre Kirche an und man feierte im Wechsel 14-tägig Gottesdienste, erzählt Pressereferentin Heike Höpner. Heute vertreten sich die Organisten im Krankheitsfall gegenseitig und auch in der Flüchtlingshilfe wird eine Zusammenarbeit angestrebt. Die Hamburger Gemeinde ist politisch den sozial Engagierten zuzurechnen und theologisch liberal eingestellt.

Das Gefühl von Gemeinschaft

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Ein Fazit zur Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen"
Kreuze in verschiedenen Farben an Lederbändern zum Umhängen.

Foto: esebene/Fotolia

An zehn Sonntagen im Herbst haben wir von evangelisch.de freikirchliche Gottesdienste besucht und dazu Reportagen und Hintergrundartikel verfasst. Unser Fazit: Protestanten sind zwar sehr verschieden – aber durchaus offen füreinander. Wir sollten einander besser kennenlernen.

Die Recherche zu unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen" war intensiv. Bevor wir eine Liste mit zehn Freikirchen erstellen konnten, waren die Lektüre von zwei Fachbüchern und einige Telefonate mit Freikirchen-Vertretern und Konfessionskunde-Experten nötig. Daraus ergibt sich schon das erste Fazit: In einer Redaktion, die überwiegend aus landeskirchlich geprägten Protestanten besteht, mussten wir zum Teil unser Nichtwissen über (manche) Freikirchen erkennen und einsehen, dass wir etwas zu lernen hatten. Zum Beispiel, zwischen Sekte und Freikirche zu unterscheiden.

Pastor Bernd Densky, freikirchlicher Referent bei der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), kennt das Problem. Der Baptist erzählt im Gespräch mit evangelisch.de von einem Erlebnis aus seiner Kölner Zeit: "Ich habe ein Schaukastenplakat ausgewechselt, da kamen junge Leute vorbei und sagten, so dass ich es hörte: 'Na, was macht die Sekte schon wieder?'" In der Wahrnehmung vieler Menschen würden Freikirchen "per se in die Sekten-Ecke gestellt", sagt Densky. Doch es gibt klare Unterscheidungsmerkmale, die wir im Rahmen unserer Serie zusammengefasst haben. Alle zehn, die vorgestellt wurden, sind Freikirchen – was nicht heißt, dass alle übrigen Sekten wären. Wir sind noch lange nicht durch und denken darüber nach, die Serie nächstes Jahr fortzusetzen.

Warum gehen Freikirchen in Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung derart unter? Zum einen weil sie klein sind. Alle Mitglieder der Vereinigung evangelischer Freikirchen (VEF) zusammen seien gerade mal 300.000 Menschen, sagt Bernd Densky. Ein weiterer Grund sei, dass  "in Deutschland – ich sag das auch mal bewusst zugespitzt – eine Staatskirchentradition besteht". Nur die beiden großen Kirchen würden als legitime christliche Konfessionen wahrgenommen, sagt der Freikirchen-Referent. Doch Freikirchen spielen keine kleine Rolle: Densky weist darauf hin, dass gerade sie zur Verankerung der  Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit in den Verfassungen beigetragen haben – auch im deutschen Grundgesetz. Freikirchen geben den Menschen eine Heimat, die ihren Glauben anders leben wollen, als es in den Volkskirchen üblich ist.

Unsere Erfahrungen bei den Gottesdienstbesuchen und Hintergrundgesprächen waren durchweg positiv: Die Reporterinnen und Reporter von evangelisch.de wurden in den Gemeinden sehr herzlich und offen empfangen. So meldet zum Beispiel Monika Konigorski von ihrem Besuch bei der Apostolischen Gemeinschaft in Köln zurück: "Sehr freundliche Aufnahme in der Gemeinde und beeindruckendes Interesse an Gespräch". In Herrnhut hat das Pfarr-Ehepaar Jill und Peter Vogt nicht nur von ihrer Gemeinde erzählt, sondern auch mit ehrlichem Interesse zurückgefragt: "Zu welcher Gemeinde gehören Sie und wie war Ihr Glaubensweg?" Die Baptisten in Barsinghausen empfingen Autorin Leonore Kratz und den Fotografen "sehr zuvorkommend, locker, freundlich, fast werbend" und versuchten, die beiden "zu einem zweiten (und dritten) Gottesdienstbesuch zu bewegen".

Manches ist zu privat, um es aufzuschreiben

Der Ablauf der Gottesdienste war in vielen Gemeinden recht ähnlich: Mit Ausnahme der Quäker gab es überall Predigt, Gesang und Gebete nach einem festen Ablauf. Dabei ging es in der SELK und der Herrnhuter Brüdergemeine traditionell-liturgisch zu, in der FeG und der Gemeinde Gottes dagegen lebhaft-charismatisch. Besondere Erlebnisse waren die Ganzkörpertaufe bei den Baptisten, die Dethard Hilbig hervorragend fotografiert hat, und die Fußwaschung, die bei den Siebenten-Tags-Adventisten dem Abendmahl vorausgeht. Autorin Luise Poschmann war fasziniert: "Alle Gemeindeglieder haben den Moment auf ihre Art sehr bewusst erlebt – ob in einer kleinen, fast fröhlichen Gruppe oder im stillen Gebet zu zweit. Dennoch bildete die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt eine tiefe Einheit."

Das Beeindruckendste bei der Arbeit an dieser Serie war, zu erleben, wie sich christliche Gemeinschaft anfühlen kann. Gemeinschaft, die durch ganz unterschiedliche Arten, Gottesdienst zu feiern, zustande kommt. Egal in welcher Freikirche – stets war es den Mitfeiernden ein zentrales Anliegen, deutlich zu machen: Hier gehöre ich dazu, das ist meine Gemeinde. Und manchmal meldete sich in uns Reporterinnen und Reportern ganz leise der Wunsch, auch dazuzugehören. Wir haben an dieser Serie nicht nur gearbeitet, sondern wir haben auch selbst religiöse Erfahrungen gemacht. Persönliche Erfahrungen, die uns über den Berufsalltag hinaus wichtig geworden sind.

Es ist schön, zu erleben, dass in Gottesdiensten und beim anschließenden Kirchkaffee tiefe Gedanken und Befindlichkeiten zum Ausdruck kommen. Uns als Journalistinnen und Journalisten wurde dadurch noch einmal in Erinnerung gerufen: Es gibt Dinge, die zwar gesagt werden, die wir aber nicht aufschreiben sollten, weil sie einfach zu privat sind. Außerdem werden manche Formulierungen, die wir neutral finden, von Gesprächspartnern als kritisch oder negativ wahrgenommen. Damit müssen wir sensibel umgehen, gerade bei religiösen, persönlichen Themen.

Nicht nur die Gemeinden – auch wir haben versucht, uns zu öffnen und Berührungsängste zu überwinden. Das galt zum Beispiel für den Zugang zu einer Freikirche, die wir zuerst beinahe in die "Sekten-Ecke" gestellt hätten: Die Apostolische Gemeinschaft. Wir erfuhren, dass sie sich von ihren Ursprüngen (in den Anfängen Katholisch-Apostolische Gemeinden, später Neuapostolische Kirche) sehr stark emanzipiert und tatsächlich zu einer evangelischen Freikirche entwickelt hat. So gilt nicht mehr ein bestimmtes Datum für die erwartete Wiederkunft Christi, und man glaubt auch nicht, im Sakrament der Versiegelung über den Heiligen Geist zu verfügen. "Beeindruckend, diese Entwicklung, die Veränderung, die da im Gange ist", sagt Reporterin Monika Konigorski. Spannend fand sie auch, wie die Kölner Gemeinde die Entwicklung des Ämterverständnisses schilderte, nämlich "von der absoluten Autorität, die der oberste Apostel hatte, inclusive Verehrung, hin zu einem Verständnis von Ämtern als Ausstattung mit verschiedenen Gaben". Verehrt wird heute niemand mehr, "Priester, Hirtin und Evangelistin arbeiten alle ehrenamtlich und haben noch ihre normalen Berufe – das scheint mir erdend zu wirken, beispielsweise für die Predigt."

Einfach mal einander besuchen

Erdend wirkten zum Teil auch die Leserkommentare. Die Reaktionen auf unsere Serie waren nicht nur positiv. Auf Facebook schilderten Leserinnen und Leser ihre eigene Erfahrungen mit bestimmten freikirchlichen Gemeinden: Erfahrungen von moralischer Bevormundung oder sogar Ausgrenzung. Der Umgang mancher Freikirchen mit gleichgeschlechtlich liebenden Menschen wurde thematisiert – zu Recht aber auch angemerkt, dass das nicht nur ein Thema von Freikirchen, sondern auch mancher Landeskirche ist. Bibelfrömmigkeit und missionarisches Engagement freikirchlicher Gemeinden gehen manchen Protestanten zu weit, anderen dagegen in den evangelischen Landeskirchen nicht weit genug.

Bei allen inhaltlichen und theologischen Streitpunkten gilt es zu würdigen, wenn Gemeinden trotzdem aufeinander zugehen und zusammenarbeiten. "In den Beziehungen vor Ort erweisen sich zumindest die traditionellen Freikirchen als ökumenefähig", sagt Bernd Densky von der ACK. In den lokalen Evangelischen Allianzen und Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen stellen sich Vertreter verschiedenster Gemeinden zum Beispiel zusammen an Weihnachtsmarktstände, gründen Hilfsprojekte für Flüchtlinge oder treffen sich zu Gebetswochen. Diese Initiative erfahren zwar in den lokalen Medien öffentliche Beachtung – nicht aber in den überregionalen, was vielleicht zu dem falschen Eindruck führt, es gebe auf bundesweiter Ebene keine Zusammenarbeit. "Dialog auf kirchenleitendenden Ebenen und theologischer Gedankenaustausch haben die Dialogunfähigkeit durchbrochen und das ist gut so", schreibt Leser "Aloanoir" in einem Kommentar. Dem können wir als Redaktion uns anschließen. Unser Wunsch ist, dass gerade das Verbindende der Kirchen und Freikirchen öffentlich stärker wahrgenommen wird: der Glaube an den Dreieinigen Gott, das Vertrauen in seine liebende Zuwendung, die Hoffnung auf Versöhnung und die Hilfe für Menschen in Not. 

Wir hoffen, dass wir mit der Serie "Was glaubst du? evangelisch.de besucht Freikirchen" zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Abbau von Berührungsängsten beigetragen haben. Wir ermutigen ausdrücklich dazu, einfach mal als Gast die eine oder andere Freikirche (oder umgekehrt: Landeskirche) am Heimatort zu besuchen, um sie ein bisschen kennenzulernen – selbst wenn man nicht dableiben will. Denn das Ziel "damit sie alle eins seien" (Johannes 17,21) erreichen wir am besten durch eine offene Haltung und durch direkte, persönliche Kontakte zu unseren Geschwistern im Herrn.

Saft, Kuss und Gesang

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Eine Abendmahlsfeier in der Herrnhuter Brüdergemeinde
Vorbereitung des Abendmahls in der Herrnhuter Brüdergemeine.

Foto: Erdmann Carstens, Herrnhuter Brüdergemeine

Vorbereitung des Abendmahls in der Herrnhuter Brüdergemeine.

Ein Herrnhuter Abendmahl ist zugleich feierlich und schlicht: Brot und Traubensaft werden durch die Reihen gereicht und die Gemeinde selbst gestaltet die Feier durch ihren Gesang. Tiefe Gemeinschaft und Verbundenheit wird spürbar. Ein Erlebnisbericht aus Herrnhut in unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Warum uns das 2015 wichtig war: Eine Dienstreise führte mich Ende September in den äußersten Osten Deutschlands: Vom Aussichtsturm über dem Herrnhuter Gottesacker (Friedhof) aus konnte ich nach Tschechien und Polen schauen. Herrnhut - aus der alten christlichen Siedlung ist eine sächsische Kleinstadt geworden. Im Ortskern stehen, schön gepflegt, die alten Gebäude, ganz zentral der Gemeindesaal. Ich war für unsere Freikirchenserie in Herrnhut, um an einer Singstunde, einer Predigtversammlung und einem Abendmahl teilzunehmen. All das war sehr besonders, sehr feierlich und doch so, dass ich mich auf Anhieb wie zu Hause fühlte. Gemeindiener (Pfarrer) Peter Vogt hatte mich am Bahnhof abgeholt und zum Abendessen eingeladen - was für ein schöner Abend! Ganz schnell kamen wir bei Brot, Käse und Bier von Gemeindethemen (auch in der Brüdergemeine gibt es mehr alte als junge Menschen) über Seelsorgefragen (natürlich lädt Gemeindienerin Jill Vogt auch Homosexuelle zum Ehechorfest ein) auf persönliche Glaubensthemen zu sprechen (Peter Vogt interessierte sich für meinen geistlichen Weg, dabei war ich doch nur die Reporterin...). Solche Dienstreisen, bei denen Arbeit und christliche Gemeinschaft ineinander fließen, sind das Schönste an der Arbeit bei evangelisch.de!

- Anne Kampf, Redakteurin

Dieser Inhalt erschien erstmals am 05.10.2015 auf evanglisch.de.

Sonntagvormittag, halb elf. Gut 20 Ehepaare, meist ältere, sitzen auf den weißen Bänken im großen hellen Versammlungssaal in Herrnhut, von draußen scheint die Sonne herein und lässt den roten Traubensaft leuchten, der in Glaskannen auf dem Tisch bereitsteht. Jeder Farbtupfer fällt doppelt auf in diesem Saal, in dem fast alles weiß ist: die Wände, die Rahmen der hohen Fenster, die Bänke. Einzige Farbtupfer sind die alten, messingfarbenen Kronleuchter und die grünen Gesangbücher und Sitzkissen. Dunkelgrün ist die typische Liturgiefarbe der Herrnhuter Brüdergemeine, normalerweise auch für die Tischdecke, doch die wurde gestern Abend ausgetauscht – gegen eine rote. Denn heute ist ein besonderer Tag: Das Ehechorfest.

Karaffen mit Traubensaft stehen in der Küche bereit.

"Chor" hat in diesem Fall nichts mit Singen zu tun (obwohl das für Herrnhut immer passen würde!), sondern kommt wohl vom französischen "corps" und heißt "Gruppe". Die Gemeinde ist traditionell in Chöre geordnet: ledige Frauen, ledige Männer, Verheiratete, Witwen. Längst gibt es nicht mehr für alle einen Festtag – aber für die Eheleute, und das eröffnet Gemeindienerin (so heißen hier die Pfarrer) Jill Vogt eine Gelegenheit zur Seelsorge: "Ich habe die Möglichkeit, diesen Menschen ein Wort zu sagen, und das finde ich sehr schön." Jill Vogt hat diesmal auch einem Männerpaar in eingetragener Lebenspartnerschaft eine Einladung geschickt, unverheiratete Paare sind ebenfalls willkommen. Mit solchen kleinen Anpassungen versucht die Herrnhuter Brüdergemeine, Tradition und heutige Lebenswirklichkeit unter einen Hut zu bekommen.

Im "Labor der Liebe"

Eines der älteren Paare, die schon seit Jahrzehnten in die Gemeinde kommen, sind Renate und Heinrich Schmorrde aus Herrnhut. Festlich gekleidet für den Sonntag nehmen sie in der dritten Reihe Platz. Seit 50 Jahren sind die beiden verheiratet, mit einem für Herrnhut typischen Lebensweg: Er stammt von hier und ist "brüderisch getauft und erzogen", sie kam mit der Hochzeit nach Herrnhut. Von hier wegzugehen, käme ihnen nie in den Sinn. Warum nicht, was ist das Besondere an der Brüdergemeine? Renate Schmorrde blickt auf das leere weiße Holzkreuz, das vorn an der Wand hängt. "Der Glaube an den Auferstandenen, der ja nicht mehr am Kreuz hängt – der ist mir wichtig." Viele hier legen Wert auf die die traditionellen Zeichen und Formen, gestern Abend noch hatte eine Frau das Pfarrerehepaar auf der Straße angesprochen: Ihr Vater, der im Altenheim lebt, habe einen Wunsch. "Er würde so gern noch einmal ein brüderisches Abendmahl feiern!" Gemeindiener Peter Vogt versprach, vorbeizukommen.

Der Versammlungssaal in Herrnhut.

Jetzt sitzt er selbst auf einer Bank und freut sich auf die Feier, die seine Frau leiten wird. Draußen vor dem Saal, hinter der Wand mit dem leeren Kreuz, fängt der Posaunenchor an, Choräle zu spielen. Drinnen hört die Gemeinde schweigend zu und schaut in den leuchtenden September-Sonntagmorgen hinaus. Als die Posaunen enden und die Orgel erklingt, zieht Liturgin Jill Vogt mit je zwei Brüdern und Schwestern ein. Alle fünf tragen weiße Talare, die in Herrnhut den Sakramentsfeiern vorbehalten sind. Vorn am Tisch gießen sie den Saft in vier große Kelche und entfernen Tücher von den Schalen, in denen Oblaten liegen. "Kommt her, verzagte Sünder, und werft die Ängste weg, kommt her, versöhnte Kinder, hier ist der Liebesweg", singt die Gemeinde. "Empfangt die Himmelslust, die heilge Gottesspeise, die auf verborgne Weise erquicket jede Brust." Gerade die fromme alte Sprache der Lieder macht das Abendmahl zu einem nicht alltäglichen Erlebnis.

"Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen", mit diesem Vers aus dem ersten Johannesbrief beginnt Jill Vogt ihre Ansprache an die Ehepaare, auf die sie sich schon seit Tagen freut. Die Gemeindienerin mit den quirligen Locken und der orangefarbenen Brille spricht mit kräftiger, fröhlicher Stimme. Sie habe einfach unter den vielen Trauversen den ausgesucht, der ihr am besten gefalle, gesteht sie: "Vielleicht ist es der perfekte Spruch für die perfekte Hochzeit." Für viele Paare müsse ja zur Hochzeit alles perfekt sein: Das Kleid, der Gottesdienst, das Essen, die Party. Als ob davon abhinge, wie gut die Ehe wird. "Aber die perfekte Hochzeit gibt es nicht, und die perfekte Ehe gibt es ebenfalls nicht", stellt Jill Vogt fest. "Denn ein Ehepaar besteht aus zwei Menschen, die beide nicht vollkommen sind."

Die Ehe sei so etwas wie ein "Labor der Liebe", in dem beide "herausfinden, was es bedeutet, wirklich zu lieben und geliebt zu werden", sagt Jill Vogt, und in den Augen der Zuhörer erscheint entweder ein Leuchten oder eine kleine Träne – in diesem "Labor" kennen sie sich aus, die jüngeren Paare ebenso gut wie die Eheleute jenseits der Goldenen Hochzeit. "Die Kraft unserer Liebe kommt daher, dass Gott uns zuerst geliebt hat", schließt Jill Vogt ihre Ansprache mit ermutigendem Blick. Dankbarkeit breitet sich aus – wie ist es möglich, dass man sie spürt, obwohl niemand etwas sagt? Die Gemeinde kniet zum Gebet nieder, und diese demütig-altmodische Geste steht erstaunlicherweise gar nicht im Gegensatz zum heiteren Ton der Ansprache.

Dann beginnt die Gemeinde zu singen – und wird damit abgesehen von zwei Unterbrechungen durch die Einsetzungsworte– nicht mehr aufhören. Selbst den aaronitischen Segen wird Jill Vogt zum Schluss singen. Schon für den Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760), war Singen wie eine Verbindung zwischen Erde und Himmel, und in manchen Texten schlägt sich auch die gefühlsbetonte Frömmigkeit des Gründers nieder: Von Jesus als dem "Brunnquell aller Gnaden" handeln die Verse, von der "Liebesflamme" und der Gemeinde als "Braut" des Herrn. Zinzendorf war ein lutherischer Pietist, Kern und Angelpunkt allen Glaubens ist für die Herrnhuter Jesus Christus. "Sein Leben und sein Lieben ist der Gemeinschaft Kern", singt die Abendmahlgemeinde, "Gemeinschaft ist das Leben, wir sind der Leib des Herrn". Singend predigt die Gemeinde sich selbst Gottes Wort, die Melodien dazu erklingen wie von selbst.

Brot und Kelche werden in die Bankreihen gebracht.

Die Abendmahlsdiener bringen das Brot, Symbol für Christi Tod, in die Bankreihen, brechen die Oblaten durch und reichen den Gemeindegliedern je eine Hälfte. Dabei sagen sie kein Wort. "Aber der Blick in die Augen ist ganz wichtig", sagt Jill Vogt später zur Erklärung, "und außerdem soll man ja weitersingen." Der Traubensaft, Symbol für das neue Leben in Christus, wird von einem zum anderen durch die Reihen weitergereicht, eine Frau nimmt ein Taschentuch und putzt den Rand ab. In welcher Weise Christus in den Elementen Brot und Traubensaft anwesend ist, lässt die Herrnhuter Brüdergemeine offen, der alte Abendmahlsstreit aus der Reformationszeit spielt hier keine Rolle. Es geht um die Gemeinschaft, um das gemeinsame Essen und Trinken.

Einen der großen Glaskelche mit den goldenen Henkeln an die Lippen zu heben ist an sich schon eine feierliche Handlung, die Atmosphäre des gesamten Abendmahls ist zugleich schlicht und erhaben, andächtig und erfüllend. Wer als nicht-"brüderischer" Gast mitfeiert, fühlt sich auf Anhieb in die Gemeinschaft aufgenommen. Die Klänge, Symbole, Gesten und Blicke entfalten ihre eigene Wirkung. Gäste sind allerdings – weil Sprache und Form des Herrnhuter Abendmahls auch gewöhnungsbedürftig sind – dankbar für die kursiv gedruckten Regieanweisungen auf dem Liedblatt: Wann man niederknien oder stehen soll, dass man mit dem Essen der Oblate wartet, bis alle ihr Brot in der Hand halten, dass man jetzt seinen beiden Nachbarn die Hand reichen soll.

Gemeindienerin Jill Vogt singt den Segen.

Zweimal werden Hände geschüttelt, einmal zur Versöhnung und einmal als Ausdruck der Gemeinschaft. An diesem besonderen Tag dürfen die Paare sich statt des zweiten Handschlages ein Küsschen geben, was viele zur Freude von Jill Vogt auch tun – die Gemeindienerin grinst fröhlich. Der Nachteil ist allerdings, dass man küssend nicht weitersingen kann, die Paare geraten also leicht aus dem Takt. Macht nichts, die Liedstrophen und Melodien scheinen ein Eigenleben zu entwickeln, sie klingen immer weiter, nisten sich hartnäckig in den Ohren ein und bleiben dort – den ganzen Tag oder sogar noch länger. So hält die feierliche Stimmung des Vormittags noch für eine Weile an. Und weil die Herrnhuter das wissen, wünschen sie einander beim Nachhausegehen "ein gesegnetes Abendmahl".   


Evangelikale gegen strengere Kirchenregistrierung in Kenia

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Ein Zusammenschluss evangelikaler Kirchen in Kenia hat Proteste gegen eine geplante Verschärfung der Registrierungsgesetze für Kirchen angekündigt.

Die Evangelikale Kirchenallianz (EAK) erklärte in der kenianischen Tageszeitung "Daily Nation" vom Dienstag, drei Millionen Unterschriften gegen das entsprechende Gesetz sammeln zu wollen. Sollte es dennoch verabschiedet werden, werde man die Gläubigen dazu aufrufen, bei den Wahlen 2017 gegen die Regierung zu stimmen, sagte der EAK-Vorsitzende Mark Kariuki.

Die Regierung will mit der Verschärfung der Registrierungspflicht nach eigenen Angaben Gläubige vor Betrügern schützen. Immer wieder gibt es Fälle, bei denen Mitglieder kleinster Kirchen ihre Vermögen verlieren oder Betrugsmodellen aufsitzen. Die anglikanische Kirche, eine der größten Kirchen in Kenia, begrüßte hingegen den Vorstoß. Der anglikanische Bischof Beneah Salah sagte der Zeitung "The Standard", das Gesetz werde helfen, die Kommerzialisierung des Glaubens zu beenden. Muslimische Gemeinschaften, die ihrerseits eine Diskriminierung befürchten, stehen dem Gesetz eher ablehnend gegenüber.

Das neue Gesetz sieht eine Neuregistrierung aller Glaubensgemeinschaften vor. Prediger müssen eine theologische Ausbildung nachweisen, die Kirchen ihre Glaubensgrundsätze schriftlich darstellen und von einer staatlichen Stelle überprüfen lassen.

Eine Registrierung kenianischer Nichtregierungsgruppen nach ähnlichem Muster hatte in der Vergangenheit Kritik ausgelöst, nachdem Initiativen beklagt hatten, wegen ihrer Regierungskritik ausgegrenzt worden zu sein. So waren muslimische Menschenrechtsgruppen unter dem Vorwurf, Terroristen nahezustehen, nicht anerkannt worden.

Zeugen Jehovas haben Körperschaftsrechte in fast allen Bundesländern

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Zehn Jahre nach der Anerkennung der umstrittenen Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Berlin sind fast alle anderen Bundesländer gefolgt.

Am 1. Februar 2006 hatte das Bundesverwaltungsgericht einen langen Rechtsstreit in Berlin mit seinem Urteil beendet. Es gebe keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Religionsgemeinschaft sich nicht rechtstreu verhalte. Politik und Religionsexperten hatten daran Zweifel geäußert und eine Anerkennung zu verhindern versucht. Kritikern zufolge handelt sich um eine "restriktive Organisation", die Gehorsam erwarte, sich von der staatlichen Ordnung distanziere und ihre Mitglieder sozial isoliere.

Nach dem höchstinstanzlichen Urteil erteilten auch die anderen Bundesländer sukzessive die Körperschaftsrechte. Als letztes Land werde Nordrhein-Westfalen voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2016 folgen, hieß es aus der Düsseldorfer Staatskanzlei. Die ZJ sind den großen Kirchen damit deutschlandweit rechtlich gleichgestellt worden. Sie können unter ihren Mitgliedern Steuern erheben oder auch Lehrpläne für einen eigenen Religionsunterricht entwickeln.

Diener wirbt bei Willow Creek um "versöhnte Verschiedenheit"

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Michael Diener, Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, hat am Donnerstag beim Willow-Creek-Leitungskongress in Hannover die Einheit der Christen auch aus unterschiedlichen Kirchen und Denominationen betont.

Michael Diener, der auch EKD-Ratsmitglied sowie Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz ist, sagte in Hannover: "Wir wollen keine Einheitskirche, aber eine versöhnte Verschiedenheit. Keine Kuscheleinheit, sondern eine errungene Einheit, bei der Jesus im Mittelpunkt steht." Der 53-Jährige appellierte an Christen, einander zu vergeben. In Anspielung auf kontroverse Diskussionen um seine Person innerhalb der evangelikalen Bewegung sagte er: "Ich bin ein Teil des Problems, aber ich will auch ein Teil der Lösung sein. Deshalb habe ich um Vergebung gebeten."

Diener nahm Bezug auf die Flüchtlingskrise und stellte fest, dass es im Lichte der deutschen Geschichte bemerkenswert sei, dass nun Millionen Menschen in Deutschland Schutz suchten – noch vor 70 Jahren seien Menschen aus Deutschland geflohen. "Ich bin der Überzeugung, dass wir in diesem Land haben, was es braucht, um das Evangelium so zu bezeugen, dass es einen Unterschied macht", sagte er. Oft erscheine es durch die Säkularisierung so, als würden Christen Antworten auf Fragen geben, die sich Menschen nicht mehr stellten, und oftmals hätten Christen mehr Gegenwind als Rückenwind. Gott habe Deutschland aber nicht vergessen und Christen seien gefragt. "Die konkrete Tat der Barmherzigkeit ist durch nichts zu ersetzen, und diese Zeit schreit danach, dass Menschen barmherzig sind", erklärte der Theologe. Gott warte darauf, dass Christen aktiv würden.

Die australische Pastorin, Autorin und Menschenrechtsaktivistin Christine Caine stellte in ihrem Vortrag einen Bezug zur "Generation Selfie" vor. Mehr als 250 Millionen Selbstporträts würden täglich in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Instagram gepostet. Dabei gehe es darum, möglichst viele "Gefällt mir"-Angaben von Menschen zu bekommen, obwohl eigentlich nur das "Gefällt mir" Gottes von Bestand sei: "Es ist egal, wie viele Leute dir im Internet applaudieren, Gott sieht dir zu und du bist ihm wichtig", rief sie den 9.500 angemeldeten Besuchern des Willow-Creek-Leitungskongresses in der Hannoveraner TUI-Arena zu. Gott verändere Menschen zum Guten, erklärte Caine und verglich dies mit der früher üblichen Entwicklung von Fotos: So wie die Bilder langsam in einer Dunkelkammer entwickelt würden, so führe Gott die Menschen durch dunkle Zeiten im Leben, um sein Bild in ihnen zu entwickeln. "Jesus hat in dir sein Werk begonnen, und er wird es vollenden", rief sie den versammelten Pfarrern, Pastoren und Leitern aus Landes- und Freikirchen zu.
 

"Willow Creek"-Kongress endet mit Aufrufen zum Gemeindeaufbau

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Mit Aufrufen zum christlichen Gemeindeaufbau ist am Wochenende der "Willow Creek Leitungskongress 2016" zu Ende gegangen.

Rund 10.000 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, überwiegend aus evangelischen Landes- und Freikirchen im deutschsprachigen Raum, hatten sich seit Donnerstag in Hannover über neue Impulse für ihre Arbeit ausgetauscht. Zum Abschluss am Samstag plädierte der US-amerikanische Gemeindegründer Reggie Joiner dafür, in den Kirchen Angebote für Kinder und Familien auszubauen. Der Kongress war den Angaben zufolge der zweitgrößte in der Geschichte der Organisation "Willow Creek" mit Wurzeln in den USA.

"Lasst uns die Eltern dazu einladen, die Gemeinde als Partner der Familie zu betrachten", sagte Joiner in der Tui-Arena. Pastoren müssten Angebote schaffen, die für Familien attraktiv seien. Allerdings gingen 90 Prozent der Familien in Deutschland sonntags nicht zur Kirche. Viele christliche Gemeindeleiter konzentrierten sich zu stark auf die wenigen Familien, die zum Gottesdienst kämen, als auf die vielen, die nicht kämen, kritisierte Joiner. Schädlich sei auch, ein Idealbild einer scheinbar perfekten Familie aufzubauen. Das schrecke weniger perfekte Familien ab. Eine Gemeinde bestehe oft aus Menschen mit gebrochenen Biografien.

Zuvor hatte der Greifswalder evangelische Theologie-Professor Michael Herbst die Teilnehmer dazu aufgerufen, Flüchtlinge in die christlichen Gemeinden zu integrieren. "Ich glaube, dass die Menschen, die zu uns kommen, nicht nur unser Land verändern, sondern auch unsere Kirchengemeinden." Auch Menschen etwa aus dem Iran seien offen für die christliche Botschaft. Herbst solidarisierte sich zugleich mit der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Vorsitzende der theologisch konservativen Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, warb für die Einheit der Christen aus unterschiedlichen Konfessionen.

Die überkonfessionelle Vereinigung wurde 1992 als Netzwerk zwischen christlichen Gemeinden gegründet. Dazu gehören heute weltweit etwa 11.000 Gemeinden. Seit 1996 veranstaltet die Vereinigung alle zwei Jahre Kongresse in Deutschland. "Willow Creek" ist ursprünglich eine US-amerikanische Kirchengemeinde in South Barrington bei Chicago. Im Februar 2018 will die Bewegung in Dortmund erneut zusammenkommen.

Evangelikalen-Streit: Pietisten rufen zur Einheit auf

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In der Kontroverse über den Kurs der evangelikalen Bewegung hat der Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband zum Zusammenhalt aufgerufen.

"Eine Spaltung dient angesichts der Herausforderungen unserer Zeit niemandem, dagegen verbindet uns sehr viel Gemeinsames an Geschichte und Zielen. Darauf wollen wir uns konzentrieren", sagte Generalsekretär Frank Spatz am Samstag nach der Mitgliederversammlung der größten pietistischen Vereinigung in Deutschland in Schwäbisch Gmünd dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei dem Streit innerhalb der evangelikalen Bewegung geht es unter anderem um den Umgang mit der Homosexualität und die Auslegung der Bibel.

"Wir wollen als Gemeinschaftsbewegung beieinander bleiben", fügte Spatz hinzu. In einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Erklärung heißt es: "In unserem Miteinander wollen wir aufeinander hören und Spannungen bewusst aushalten." Im Ringen um das rechte Verständnis der Bibel "halten wir Unterschiede aus, die es nicht nur in unserer Kirche, sondern auch innerhalb des Pietismus immer gegeben hat und bis heute gibt", wird in dem zweiseitigen Text erklärt.

Auslöser der Kontroverse waren Aussagen des Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, der dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört. Diener ist zudem Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes. Der pfälzische Pfarrer hatte die evangelikalen Christen zu mehr Selbstkritik ermutigt, vor Abschottung gegen die Landeskirchen gewarnt und für mehr Toleranz auch gegenüber Homosexuellen geworben. Diener hatte die Irritationen bedauert, die seine Äußerungen ausgelöst hatten.

Zum Thema Homosexualität heißt es jetzt in der Erklärung des Gnadauer Verbandes: "Aus unserer Sicht lassen sich biblische Aussagen über den Willen Gottes und eine homosexuelle Lebensweise nicht in Einklang bringen." Gleichwohl gebe es "einige unter uns, die an dieser Stelle eine andere exegetische Einsicht haben oder die aus dem gleichen exegetischen Befund andere Schlussfolgerungen ziehen", räumt die pietistische Dachorganisation ein. Exegese ist die Auslegung von Schriften.

Trausegen nicht bei Gleichgeschlechtlichen

Gott segne die Ehe von Mann und Frau in besonderer Weise, hieß es weiter. Der Trausegen könne darum nicht auf eine gleichgeschlechtliche Lebensform übertragen werden. Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebten, könnten daher "weder in den Verkündigungsdienst noch in Leitungsaufgaben" berufen werden, denn "Leben und Lehre gehören zusammen".

Der Gnadauer Verband mit Sitz in Kassel versteht sich als Dachorganisation des deutschsprachigen Pietismus. Er repräsentiert als größte Laienbewegung in der Evangelischen Kirche in Deutschland rund 200.000 Mitglieder. Seinen Namen hat der seit 1888 bestehende Verband nach seinem Gründungsort Gnadau bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Der Pietismus gehört zu den großen geistlichen Strömungen und Reformbewegungen innerhalb der evangelischen Kirche. Als sein Begründer gilt der Theologe Philipp Jakob Spener (1635-1705).

Freikirchen: Die Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)

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Freikirchen: Die Religiöse Gesellschaft der Freunde, Quäker

Foto: PR

Inneres Licht, Stille Andacht und radikale Friedensethik: Die Quäker sind eine Religionsgemeinschaft mit christlichem Ursprung, in der es um Gotteserfahrung und Glauben im Alltag geht. Ein Hintergrund im Rahmen unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Der junge Engländer George Fox (1624-91), ein christlicher Schuhmacherlehrling, verließ sein Elternhaus mit 19 Jahren auf der Suche nach Spiritualität. Die Christen seiner Zeit, so fand er, lebten nicht entsprechend der Lehre der Kirche. In seinem Suchen nach echtem Glauben hatte Fox 1647 eine Audition, er hörte eine Stimme sagen: "Es gibt einen, und zwar Jesus Christus, der zu deiner Gemütsverfassung sprechen kann." Von nun an versuchte Fox, anderen seine Auffassung von ursprünglichem Christentum mitzuteilen, das er wiederentdeckt zu haben glaubte. Dabei ging es ihm um die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Der erste Quäker-Theologe Robert Barclay (1648-80) schreibt in seinem Buch "An Apology for the True Christian Divinity" von der "immediate revelation", der unmittelbaren Offenbarung Gottes im Herzen eines Menschen. Sie sei wie eine innere Erleuchtung ("inward illumination") durch den Heiligen Geist (Johannes 1,9).

"Es ist in erster Linie eine Religionsgemeinschaft"

Der Name der Religionsgemeinschaft lautet offiziell "Religious Society of Friends (Quakers)", auf deutsch "Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)". Der Name kommt vom englischen "to quake", zittern, weil zu Fox' Zeiten gesagt wurde, sie zitterten in ihrem religiösen Eifer. Obwohl es anfangs ein Spottname war, übernahmen ihn die Quäker parallel zu ihrem Begriff "Freund" oder "Freundin", den sie aus dem Johannesevangelium entnahmen (Johannes 15,14). Wer Mitglied werden will, stellt einen schriftlichen Antrag und wird zu einem Gespräch eingeladen; Doppelmitgliedschaften sind möglich; wer an Quäker-Treffen teilnehmen, aber nicht beitreten will, ist als "Freund/Freundin der Freunde" willkommen.

Bei den Quäkern gibt es keine Bekenntnisschriften und keine Dogmen, keine Pfarrer und keine Sakramente im Sinne von äußerlichen Zeremonien. Im Mittelpunkt des spirituellen Lebens steht die Stille Andacht, die sonntags gefeiert wird und meistens eine Stunde dauert. Ganz ohne Bibelwort, Gesang oder Liturgie sitzen die Freundinnen und Freunde schweigend im Kreis, warten und öffnen sich gemeinsam der göttlichen Offenbarung. "Es gibt keine festen Regeln, was in einer Andacht passieren soll. Das soll jeder selbst erleben und für sich erfahren", sagt der Berliner Historiker und Quäker Claus Bernet. Wer in der Andacht einen Gedanken laut mitteilen will, darf das tun, ohne dass die Äußerung kommentiert oder diskutiert wird.

Die Bibel ist für Quäker wichtig, doch "die Freunde weigern sich, die Bibel zum endgültigen Kriterium für die richtige Lebensgestaltung und die wahre Lehre zu machen", heißt es in der Broschüre "Quäker heute in Deutschland und Österreich". Die Offenbarung Gottes beschränkt sich für Quäker eben nicht auf die Vergangenheit, sondern ist in der Gegenwart erfahrbar. Sie sehen sich als eine Gemeinschaft von Suchenden, nicht als Verteidiger festgeschriebener Wahrheiten. Dementsprechend gibt es bei den Freunden eine große Bandbreite von Überzeugungen von liberal bis konservativ, von pietistisch bis humanistisch. Auf die Frage, ob Quäker Christen sind, geben die Freunde unterschiedliche Antworten. Claus Bernet sagt: "Es ist in erster Linie eine Religionsgemeinschaft, wobei auch Menschen mit einem anderen religiösen Hintergrund sofort in der Lage sind, an einer Quäkerandacht teilzunehmen." Die Missionierung Andersgläubiger liegt den Quäkern fern.

Freundinnen und Freunde fühlen sich mit ihrem Handeln direkt vor Gott verantwortlich. Im Mittelpunkt der Quäker-Ethik stehen die Zeugnisse der Einfachheit, der Wahrhaftigkeit, der Gleichwertigkeit und des Friedens, wobei "Zeugnis" bedeutet, nach der inneren Überzeugung zu leben. Quäker sein sei "das Erleben von Alltag in einer religiösen Deutung – aber sehr individuell", fasst Claus Bernet zusammen. Quäker lehnen Krieg, Kriegsdienst und Aufrüstung entschieden ab. Ihre radikale Friedensethik führte im 20. Jahrhundert zur Gründung von Quäkerbüros bei der Europäischen Union in Brüssel und bei den Vereinten Nationen in Genf und New York, um dort pazifistische Positionen einzubringen. Auch Hilfsarbeit gehört zum Selbstverständnis der Quäker: Für ihre Schulspeisungen nach beiden Weltkriegen in Deutschland bekamen die amerikanischen und britischen Hilfsdienste der Quäker 1947 den Friedensnobelpreis. Die deutschen Freunde gründeten 1963 den Verein Quäker-Hilfe.

In Deutschland gab es Quäkergruppen schon im 17. Jahrhundert, doch sie fielen religiöser Verfolgung zum Opfer. Erst um 1790 wurde eine Gruppe in Bad Pyrmont geduldet, wo das bis heute einzige Quäkerhaus steht. 1925 schlossen sich die deutschen Gruppen zur "Deutschen Jahresversammlung" zusammen, 1938 kamen die österreichischen dazu. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 260 Freundinnen und Freunde, die größte Gruppe in Berlin hat etwa 25 Mitglieder. Finanziert wird die Arbeit durch freiwillige Beiträge. In der "Ordnung des Zusammenlebens" sind vor allem die organisatorischen Angelegenheiten der deutschen Quäker zusammengefasst.

Die Religiöse Gesellschaft der Freunde gehört mit Beobachterstatus zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), auf regionaler Ebene zum Teil mit Gaststatus. Den globalen Zusammenschluss bildet seit 1937 das Beratende Weltkomitee der Freunde (Friend's World Committee for Consultation (FWCC). Weltweit gibt es laut dem FWCC rund 380.000 Quäker (Stand 2012), gut die Hälfte davon in Afrika und mehr als ein Drittel in Amerika.

Gauck zu Besuch bei Herrnhuter Brüdergemeine

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Bundespräsident Joachim Gauck (M) und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt besuchen am 27.04.2016 die Evangelische Brüder-Unität und Brüdergemeine Herrnhut in Herrnhut (Sachsen).

Foto: dpa/Arno Burgi

Bundespräsident Joachim Gauck (M) und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt besuchten die Evangelische Brüder-Unität und Brüdergemeine Herrnhut in Herrnhut.

Bundespräsident Joachim Gauck hat am Mittwoch die Evangelische Brüder-Unität im ostsächsischen Herrnhut besucht.

Während seines kurzen Aufenthaltes trug sich der prominente Gast ins Goldene Buch der Stadt ein. Zudem besuchte Gauck gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt den Kirchensaal der Brüdergemeine Herrnhut am Zinzendorfplatz.

Wie die Brüder-Unität mitteilte, wollte Gauck die Brüdergemeine in Herrnhut persönlich kennenlernen. Der Besuch hatte den Angaben zufolge privaten Charakter. Der Chef des Bundespräsidialamtes, David Gill, stammt aus Herrnhut. An diesem Donnerstag wird Gauck zu einem offiziellen Besuch im ostsächsischen Zittau und Görlitz erwartet.



Die Oberlausitz ist der vorläufige Abschluss von Reisen des Bundespräsidenten an Deutschlands Peripherien. Sie stehen unter dem Motto "Verantwortung vor Ort - Engagement in den Kommunen". Im März war Gauck im Emsland zu Gast, vergangene Woche in Oberfranken.

In Zittau will sich Gauck unter anderem über Projekte in der Euroregion Neiße informieren. Zudem ist unter anderem ein Gespräch im Görlitzer Rathaus zum Thema "Abwanderung und Perspektiven" geplant. Zittau liegt im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien.

Die Evangelische Brüder-Unität - Herrnhuter Brüdergemeine ist eine kleine evangelische Freikirche, die auf dem Gut des Grafen Zinzendorf im 18. Jahrhundert in der Oberlausitz (Sachsen) gegründet wurde. Eine wichtige Wurzel hat sie in der Böhmischen Reformation, die durch Jan Hus im 15. Jahrhundert angestoßen wurde. Bekannt ist die Brüdergemeine einer breiten Leserschaft durch die Herausgabe der Losungen.

Herrnhuter Losungen für 2019 stehen fest

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Im sächsischen Herrnhut sind für das Jahr 2019 die Losungen für das Andachtsbuch gezogen worden.

Traditionell werden die Texte für das berühmte Büchlein der Herrnhuter Brüdergemeine aus einem Gesamtbestand von 1.800 Worten des Alten Testaments der Bibel gewählt, teilte die evangelische Freikirche am Donnerstag in Herrnhut mit. In den kommenden zwei Jahren werde nun zu jeder gezogenen Losung ein neutestamentlicher Bibeltext und ein Gebet oder Lied ausgesucht.

Danach beginne die Vorbereitung der Herausgabe der Losungen in mehr als 50 Sprachen. Das erste Losungswort wurde am 3. Mai 1728 in Herrnhut verbreitet. Das Ziehen der Texte findet daher immer um den 3. Mai statt.

Die Evangelische Brüder-Unität - Herrnhuter Brüdergemeine ist eine kleine evangelische Freikirche, die auf dem Gut des Grafen Zinzendorf im 18. Jahrhundert in der Oberlausitz (Sachsen) gegründet wurde. Eine wichtige Wurzel hat sie in der Böhmischen Reformation, die durch Jan Hus im 15. Jahrhundert angestoßen wurde. Bekannt ist die Brüdergemeine einer breiten Leserschaft durch die Herausgabe der Losungen.

Freikirchen: Die Metropolitan Community Church (MCC)

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Logo der Metropolitan Community Church (MCC)

Foto: PR

Als Kirche für Angehörige sexueller Minderheiten fing die Metropolitan Community Church in den 60er Jahren in Los Angeles an. Heute versucht sie, alle Menschen willkommen zu heißen. In Deutschland gibt es drei MCCs: in Hamburg, Köln und Stuttgart. Hintergründe von Martin Haar in unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Es war eine wilde Zeit. Die Zeit der Hippies, der Freigeister, kurz: die Generation der 68er. In dieser Zeit gründete Troy Perry die Metropolitan Community Church, kurz MCC und in vollem Namen als The Universal Fellowship of Metropolitan Community Churches bekannt. Die MCC versteht sich als Netzwerk von protestantischen Freikirchen. Troy Perry begann im Oktober 1968 ganz klein - als Einzelgemeinde. Perry, ein schwuler Pastor, zog im Dunstkreis der homosexuellen Szene in Los Angeles Gleichgesinnte an. Alle verband der Glaube, aber auch der Protest gegen die gesellschaftliche Ausgrenzung von homosexuellen Menschen in dieser Zeit. Auch die Haltung der christlichen Kirchen gegenüber Schwulen und Lesben war in jener Zeit von Ablehnung geprägt. Bei der MCC ist man allerdings der Ansicht, dass Jesus nichts gegen Minderheiten gesagt habe, sondern sie geliebt habe. Daher sind Schwule, Lesben, Bisexuelle, Inter- und Transsexuelle in der MCC nicht nur akzeptiert und angenommen, sondern wertgeschätzt.

Wie es so oft bei ähnlichen Bewegungen der Fall ist, entwickelte sich auch die MCC schnell weiter. Die Forderung nach Inklusivität, also der Teilhabe aller, wurde zum obersten Prinzip erklärt. Die ursprüngliche Fokussierung auf die schwul-lesbische Szene entwickelte sich weiter zu einem generellen Prinzip der Inklusivität, so dass MCC mittlerweile danach strebt, auch andere, oftmals ausgegrenzte Minderheiten zu erreichen. 2005 übernahm Nancy Wilson das Amt des Moderators von Troy Perry in der Dachorganisation, die inzwischen Beobachterstatus beim Weltkirchenrat hat. Der National Council of Churches of Christ in den USA lehnt eine Mitgliedschaft des MCC jedoch ab.

Am Wachstum der Bewegung änderte das nichts. Vom Hauptquartier in Hollywood ausgehend dehnte sich die MCC aus. Inzwischen sind Ableger in 37 Ländern mit 250 Gemeinden mit 18.000 Mitgliedern weltweit vertreten. Die MCC ist die größte Organisation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender weltweit, ohne auf diese Gruppen beschränkt zu sein. In vielen Gemeinden gilt daher der Leitsatz: "Wir versuchen einander anzunehmen, wie wir sind, in dem Wissen, dass Gott jede und jeden einzelnen von uns schon angenommen hat. Wir wollen offen sein und Neues zulassen, ohne dabei exklusiv und ausgrenzend zu sein."

In Deutschland fasste die Gemeinde 1988 in Hamburg Fuß. Dort gilt wie überall das Gebot der Autonomie einer lokalen Gemeinde. Wie auch die Gemeinden in Stuttgart oder Köln sind die MCC-Gemeinden demokratisch verfasst und als Vereine eingetragen. Allen Gemeinden steht ein ordinierter Pfarrer vor. Ganz wichtig: Es gilt das Priestertum aller Gläubigen, Laien dürfen den Gottesdienst leiten. Zudem kann jeder Getaufte der Gemeinde beitreten, allerdings muss die Taufe nicht nachgewiesen werden. Das widerspräche dem Geist, den die MCC aussenden will. Denn obwohl die Wurzeln evangelisch sind, ist die MCC ökumenisch offen und will möglichst viele Menschen erreichen. Das Bekenntnis zum christlichen Glauben sowie die Taufe sind die einzigen Voraussetzungen.

Für die Teilnahme an einem Abendmahl in der MCC ist man an keine besonderen Voraussetzungen gebunden. In Stuttgart wird das Abendmahl in jedem Gottesdienst gefeiert. In der dortigen MCC-Satzung ist zum Beispiel unter Paragraph 3, "Bekenntnis", folgendes zu lesen: "Die Gemeinde weiß sich in die Nachfolge Christi gerufen. Sie will sein Evangelium der Befreiung leben und weitersagen, wie es die heilige Schrift als Zeugnis göttlicher Offenbarung und als Richtschnur für Glauben und Leben verkündet." Als Zweck und Aufgabe wird in Stuttgart die "Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus an alle Menschen ohne sexistische, rassistische oder andere Vorbehalte sowie die Unterweisung im christlichen Glauben und die diakonische Tätigkeit" gesehen.

Trauungen werden bei der MCC-Gemeinde wie anderswo als ein religiöser Ritus zwischen Mann und Frau gesehen. Gleichgeschlechtliche Beziehungen werden durch so genannte Partnerschaftssegnungen gefeiert und bezeugt. Vor einer Trauung oder Segnung sollte das Paar mindestens zwölf Monate in einer festen Partnerschaft gelebt haben. Eine Trauung oder Partnerschaftssegnung kostet in Stuttgart 250 Euro.

Freikirchen: Die Heilsarmee

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Logo der Heilsarmee

Foto: PR

Die Heilsarmee hat etwa 1,7 Million Mitglieder in 127 Ländern.

Die Heilsarmee ist um 1860 in London aus der Methodistenkirche hervorgegangen, seit 1950 ist sie in Deutschland eine "Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts". Im Mittelpunkt stehen ein Leben nach den Vorgaben der Bibel und die Hilfe für Bedürftige. Ein Hintergrund in unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Nicht umsonst ist der Kampf gegen weltliche Verführungen wie Glückspiel, Alkohol, Kriminalität oder Drogen ein wichtiger Grundpfeiler der Lehre der Heilsarmee. Der englische Methodistenprediger William Booth gründete 1865 gemeinsam mit seiner Frau Catherine Mumford die "Ost-Londoner Christliche Erweckungsgesellschaft" mit dem Ziel, die soziale Not und Unsittlichkeit des Industrieproletariats in den Slumvierteln Londons zu bekämpfen. Weil Bettler und Kranke in den methodistischen Gottesdiensten nicht gern gesehen waren, hielt Booth seine "Versammlungen" in Kneipen und auf öffentlichen Plätzen ab, um die Menschen zu einem Leben nach den Regeln der Bibel zu bekehren.

Als seine Organisation immer größeren Zulauf hatte, entschied Booth sich dafür, ihr eine militärische Struktur zu geben. Die Regeln der Gemeinschaft wurden dem Instruktionsbuch für englische Soldaten nachgebildet, denn die bekehrten Arbeiter und Arbeiterinnen fühlten sich in einem "dauernden Kriegszustand" gegen das Elend in der Welt. Der Leiter der "Salvation Army" wurde zum "General", die Gemeindestationen zu "Korps", die hauptamtlichen Mitarbeiter bezeichnete man als "Offiziere" und die Gemeindemitglieder als "Soldaten". Aus der Londoner Bewegung ist seitdem eine internationale Organisation geworden, die in 127 Ländern mit etwa 1,7 Millionen Mitgliedern präsent ist.

In Deutschland begann um 1890 Fritz Schaaf in Stuttgart seine Pionierarbeit der Heilarmee als evangelische Freikirche, die sich durch ihr soziales Engagement schnell einen Namen machte – nach dem Ersten Weltkrieg zum Beispiel durch den Einsatz der ausrangierten "Gulaschkanonen" des Heeres für die hungernden Massen in den Großstädten. Da die Heilsarmee keine Kirchensteuer erhält, finanzieren sich die 47 Gemeinden mit ihren 1300 offiziellen Mitgliedern in Deutschland vor allem über Spenden, freiwillige Mitgliedsbeiträge und den Verkauf der Zeitschrift "Der Kriegsruf".

Die Heilsarmee ist Mitglied der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und arbeitet in der Deutschen Evangelischen Allianz mit. Als nicht-sakramentale Kirche ist sie nur eine "befreundete Organisation" des Ökumenischen Rats der Kirchen. Sie verzichtet auf Sakramente wie Abendmahl oder Taufe: "Nach Auffassung der Heilsarmee haben rituelle Handlungen nur dann einen Sinn, wenn auch ihr geistlicher Sinn erfasst und verwirklicht wird. Daher verzichtet sie auf die Sakramente als symbolische und äußerliche Handlung. Die geistliche Bedeutung jedoch, die hinter dem symbolischen Akt (Wassertaufe und Abendmahl) steht, wird von der Heilsarmee ausdrücklich vertreten", heißt es in einem Imnfoblatt der Heilsarmee. Laut ihrem Bekenntnis glauben ihre Anhänger an die göttliche Inspiration der Bibel, an die Dreieinigkeit Gottes, an die Unsterblichkeit der Seele und das Jüngste Gericht am Ende der Welt.

Suppenküchen und Sozialberatung

Neben der blau-roten Uniform sind auch die blau-rote Fahne (rot für das Blut Jesu und blau für die Erlösung) mit dem Motto "Blut & Feuer" und das Wappen mit Schwertern für den Kampf gegen das Böse die wichtigsten Symbole der Heilsarme. Im "Kriegsartikel" in der "Verfassung der Heilsarmee", den jeder Soldat, also jedes Gemeindemitglied feierlich unterzeichnet, heißt es bis heute: " [...] Ich entsage auf immer der Welt mit ihren sündhaften Vergnügungen, ihrer Freundschaft, ihrem Reichtum und ihren Zielen. Es ist mein fester Entschluss, mich an allen Orten und in jeder Umgebung unerschrocken als ein Soldat Jesu Christi zu erweisen."

In Ihren "Stellungnahmen" vertritt die Heilsarmee eng an der Bibel orientierte Ansichten zu Ehe, Familie, (Homo-)sexualität, Gentechnologie, Schwangerschaftsabbruch, Sterbehilfe oder Verantwortung für die Umwelt. Die Gleichberechtigung der Frau in allen Ämtern und Führungspositionen wurde allerdings bereits in den Anfangsjahren Ende des 19. Jahrhunderts in der Satzung festgeschrieben.

Bibeltreue hat für die Heilsarmee eine unbedingte Bedeutung für die Verpflichtung zu sozialem Engagement. Als Mitglied des Diakonischen Werks unterhält sie 18 diakonische Einrichtungen in Deutschland. Außerdem organisiert sie mobile Suppenküchen, Sozialberatung oder Kleiderausgaben für Bedürftige, aber auch Begegnungstreffen und Gottesdienste, die sich speziell an Benachteiligte richten. Neben der persönlichen Betreuung für jeden ohne Ansehen der Person, ob im Rotlichtviertel, im Slum oder bei Naturkatastrophen, wird auch die Kinder- und Jugendarbeit großgeschrieben, zum Beispiel in Plattenbausiedlungen in Großstädten. Außerdem unterhält das Sozialwerk der Heilsarmee in Deutschland zahlreiche stationäre oder sozialtherapeutische Pflegeheime, einen internationalen Suchdienst für die Zusammenführung von Familien und einen Seelsorgedienst für Strafgefangene. Weltweit unterhält sie heute etwa 440 Obdachlosenheime, 1000 Kindergärten und über 3000 Schulen.

"Unsere Waffen sind Gottes Liebe und Gottes Wort"

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Annika Noack-Ebeling predigt bei der wöchentlichen Versammung der Heilsarmee in Berlin-Friedenau.

Foto: Cornelius Wüllenkemper

Annika Noack-Ebeling predigt bei der wöchentlichen Versammung der Heilsarmee in Berlin-Friedenau.

Bei der sonntäglichen "Versammlung" verzichtet die Heilsarmee auf Liturgie und Sakramente. Dafür gibt sie dem persönlichen Glaubenserlebnis und dem intimen Zwiegespräch mit Gott viel Raum. Für die Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen" war Cornelius Wüllenkemper bei der Heilsarmee in Berlin-Friedenau.

"Guten Morgen, schön dass Ihr da seid!" Gutgelaunt eröffnet Anni Lindner am Palmsonntag die wöchentliche Versammlung der Heilsarmee in Berlin-Friedenau. In den nüchtern gestalteten Räumen des Heilsarmee-Korps in einem Hinterhaus an einer ruhigen Seitenstraße haben sich etwa 30 Gemeindemitglieder versammelt. In den Stuhlreihen sitzen Menschen im mittleren Alter, einige von ihnen tragen die Heilsarmee-Uniform, Alltagskleidung überwiegt. Hinter einer Glasscheibe betreut im Nebenraum eine Heilsarmee- Soldatin einige Kinder.

Nur ein einfaches Holzkreuz, ein Rednerpult, bescheidener Blumenschmuck, ein Kerzenständer und die rot-blaue Fahne der Heilsarmee deuten darauf hin, dass hier eine "Versammlung", ein Gottesdienst stattfindet. Eine Blechbläser-Kapelle spielt getragene Musik, bevor Anni Lindner ein freies Gebet spricht und "den Herrn in unserer Mitte" begrüßt.

Gebäude des Heilsarmee-Korps in Berlin-Friedenau.

Auf Sakramente oder eine feste Liturgie wird verzichtet, stattdessen der intime, persönliche Kontakt zu Gott, das unmittelbare Glaubenserlebnis in den Mittelpunkt gestellt. Gott als persönlicher Freund im Alltag. "Heute geht es um die Entscheidung. Bin ich ein Fan oder ein Nachfolger von Jesus?", fragt Lindner ins Mikrophon und schaltet gleich darauf einen Video-Beamer an. "Wir schauen erst einmal, wie Fangemeinden ihre Idole begrüßen". Der Einzug der siegreichen Fußballnationalelf auf der Fanmeile, ein Rockkonzert, Christen in einem Stadion in Ägypten, die "Jesus, Jesus!" skandieren.

"Wir sind Radikalos im Alltag"

Matthias und Anni Lindner leiten gemeinsam die Gemeinde in Berlin-Friedenau.
"Jesus ist unter uns, wir wollen ihn begrüßen wie die WM-Mannschaft", sagt Lindner, bevor sie ein weiteres Gebet spricht, das sich in persönlichem Ton direkt an Jesus wendet. Die Brass-Band setzt ein, die Gemeinde klatscht mit. Ein wenig erinnert die Szenerie an freikirchliche Glaubensgemeinschaften in den USA. Der Gottesdienst ist lebendig und interaktiv, die Besucher wollen den direkten Draht zu Gott spüren.

Seit knapp sieben Jahren ist die die 36jährige Anni Lindner Offizierin der Heilsarmee und leitet seit einiger Zeit gemeinsam mit ihrem Mann Matthias die Gemeinde in Berlin-Friedenau. Erstmals kam die gelernte Krankenschwester während der Flutkatastrophe in Dresden 2002 in Kontakt mit der Heilsarmee, als sie selbst ihr Haus verlassen wurde. Bald fühlte sich die heute sechsfache Mutter von Gott für den Dienst als Offizierin berufen. Sie brach ihr Studium der Religionspädagogik ab und begann gemeinsam mit ihrem Mann die Ausbildung zu Heilsarmeeoffizieren. "Man bezeichnet uns auch größtes stehendes Herr der Welt", erklärt Lindner, "aber wir sind eine friedliche Armee. Unsere Waffen sind Gottes Liebe und Gottes Wort." Als "vornehmstes Ziel" der Heilsarmee gilt offiziell "die sittliche Beeinflussung und Förderung aller Menschen durch Verbreitung der christlichen Religion und Lehre auf alleiniger Grundlage der Bibel" und die "praktische Anwendung des christlichen Gebotes der Nächstenliebe."

Einmal pro Woche fährt der rote Kastenwagen der Gemeinde in Berlin-Friedenau sozialen die Brennpunkte der Hauptstadt ab, die Bahnhöfe, das Kottbusser Tor in Kreuzberg oder den Alexanderplatz. Von Oktober bis Februar waren die Lindners täglich ab fünf Uhr morgens vor dem Berliner LaGeSo präsent, um die schlimmste Not der Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsgebieten zu lindern. Gemeindeleitung ist ein Vollzeit-Job. "Wir sind Radikalos im Alltag", sagt Anni Lindner mit einem Lächeln. "Gott ist immer präsent, ich rede ständig mit ihm. Mein Glaube bestimmt meinen Alltag, auch in den kleinen Dingen. Es geht um Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Die Bibel ist meine Orientierung."

"Jesus zu folgen heißt, das Leben hinter sich zu lassen"

Heilsarmee-Mitglieder räumen der Bibel als direkte Inspiration Gottes, dem persönlichen Glaubenserlebnis und der Ergriffenheit vom direkten Kontakt zu Gott viel Platz ein. Auch die Musik spielt dabei eine wichtige Rolle. So auch an diesem Sonntag in Friedenau: In der Versammlung gehen Lieder und Gebete ineinander über, nach der Brass-Band spielt eine Gruppe aus Gitarre, Bass, Piano und Gesang eine ganze Reihe von Pop-Songs. Ein Dutzend Kinder wird nach vorne gebeten, wo sie die Songtexte gestisch nachspielen, bald setzt die ganze Gemeinde ein, lobt mit erhobenen Armen die Größe Gottes, bis die Kinder von einer Betreuerin zur "Sonntagsschule" ins Hinterhaus geführt werden.

In einer Versammlung der Heilsarmee muss man nicht nur sitzen und zuhören.

Die aktiven Gemeindemitglieder der Heilsarmee fühlen sich zur Hingabe individuell berufen, es geht um den direkten Kontakt zum Heiligen Geist, der sich in Träumen, Eingebungen oder Erweckungserlebnissen mitteilt. So auch bei der 22jährigen Annika, die heute, am so genannten "Kandidatensonntag", in ihrer ersten Predigt der Gemeinde berichtet, wann und wieso sie sich für eine Ausbildung zur Heilsarmee-Offizierin entschieden hat. "Ein Jahr lang wusste ich nicht, wohin mit mir und meinem Studium. Ständig habe ich Impulse von Gott gespürt. Ich wollte mein Leben nicht mehr nach den Maßstäben der Welt, sondern nach denen von Gott führen. Jesus zu folgen heißt, das Leben hinter sich zu lassen", sagt Annika und zitiert Bibelverse über die Abkehr von der Sünde.

Vor einem Jahr hat sie bei einem Gebet am Kandidatensonntag ein Kribbeln im Bauch gespürt. Danach wusste sie, dass sie jetzt die Entscheidung treffen musste, ihr Leben Gott zu widmen. Vor rund sechs Monaten hat die gebürtige Potsdamerin von Ernährungswissenschaften auf einen Masterstudiengang in Theologie umgesattelt, arbeitet nebenbei auf Minijob-Basis für die Gemeinde in Friedenau und wohnt mit ihrem Mann und ihrer Schwester im selben Haus. "Es ist auch eine familiäre Sache", denn schon Annikas Ur-Ur-Großmutter war Offizierin in der Heilsarmee.

"Nutzt die Zeit, um mit Gott über den Stand eurer Nachfolge ins Gespräch zu kommen", wendet sich nach Annikas Predigt Anni Lindner wieder an die Gemeinde. Besinnliche Musik aus dem E-Piano erklingt, die Gläubigen schließen die Augen, manche Knien auf dem Boden. Eine Frau um die Vierzig steht auf und geht zur "Bußbank" direkt vor dem Rednerpult, um zu beten. Lindner setzt sich an ihre Seite und legt ihren Arm um sie.

Die Geborgenheit in der Gemeinschaft, das Dasein füreinander, der unmittelbare Kontakt und das aktive Engagement für die Gemeinde und ihre Sozialarbeit gelten mehr als rituelle Glaubenssymbole. "Wir vertrauen auf den gesunden Menschenverstand und die Gaben des Heiligen Geistes", erklärt Anni Lindner. Nach der Besinnungszeit setzt noch einmal die Brass-Band ein, die Versammlungsbesucher wippen mit. Anni Lindner kündigt eine Gemeinde-Aktion mit Mittagessen für 1,50 Euro an, spricht ein Segensgebet und lädt zu Kaffee und Kuchen in den Nebenraum.

Baptisten-Synode tagt über Himmelfahrt in Kassel

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Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) tritt von Mittwoch bis Samstag zu seiner alljährlichen Bundesratstagung in Kassel zusammen.

Auf dem Programm des baptistischen Kirchenparlaments, das das höchste Entscheidungsgremium des BEFG ist, stünden Vorträge, Gottesdienste, Bibelarbeiten und verschiedene Foren, teilte der Verband am Montag mit. Außerdem werde das 75jährige Bestehen des Bundes gefeiert.

Als Redner werden unter anderen Michael Diener, Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und Vorsitzender der Evangelischen Allianz, sowie Paralympics-Teilnehmer und Kabarettist Rainer Schmidt erwartet. Schwerpunktthema der Tagung ist das Themenjahr 2015/16 mit dem Motto "Bunte Gemeinde - Staunen über Christus im anderen". Auf der Tagesordnung stehen ferner die Aufnahme neuer Gemeinden sowie Finanzfragen.

Zum BEFG gehören in Deutschland rund 800 Baptisten- und Brüdergemeinden. Sie zählen rund 82.000 Mitglieder. Die Gemeinden sehen sich in der Tradition der Reformation, lehnen aber die Säuglingstaufe ab. Getauft werden können demnach nur Menschen, die eine persönliche Entscheidung für den Glauben an Jesus Christus getroffen haben.

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