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"Christival" 2022 wird in Erfurt gefeiert

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"Christival" Logo

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Das "Christival" wird 2022 in Erfurt gefeiert.

Das nächste "Christival" wird vom 25. bis 29. Mai 2022 in Erfurt gefeiert. Es ist die siebte Station der Jugendveranstaltung, die es seit 1976 gibt.

Die Entscheidung für den Ausrichtungsort der größten christlichen Jugendveranstaltung in Deutschland sei nach mehr als einjährigen Verhandlungen mit mehreren potenziellen Ausrichtern gefallen, sagte der Vorsitzende des Trägervereins, Karsten Hüttmann, in der Thüringer Landeshauptstadt. Während des Festivals auf dem Messegelände und im ganzen Stadtgebiet werde mit etwa 12.000 Dauerbesuchern gerechnet.

Die gute Erreichbarkeit, die Erfahrung der Messe mit christlichen Veranstaltungen und eine große Offenheit der Christen und Kirchen der Stadt hätten am Ende für Erfurt gesprochen, hieß es. Die Evangelische Kirche Mitteldeutschland, die Evangelische Allianz Erfurt und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) hätten zuvor das "Christival" nach Thüringen eingeladen.

Das "Christival" war zuletzt unter dem Motto "Jesus versöhnt" 2016 in Karlsruhe gefeiert worden und hatte etwa 13.500 Dauerteilnehmer angezogen. Fast genauso viele Besucher wurden beim Abschlussgottesdienst in den Hallen der Messe Karlsruhe mit dem badischen Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh gezählt.

Erfurt wird der siebte Veranstaltungsort seit dem ersten Festival 1976 in Essen sein. Träger sind mehr als 50 Organisationen, Jugendverbände und Kirchen, die gemeinsam alle sechs Jahre die Großveranstaltung organisieren. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt das Treffen der gläubigen jungen Leute, das mittlerweile eine ökumenische Ausrichtung hat.

Ziel sei es, junge Christen zwischen 14 und 24 Jahren in ihrem Glauben zu stärken und sie zu ermutigen, diesen in Kirche und Gesellschaft zu leben, erklärte der Projektleiter des "Christval22", Chris Pahl. Er will ab Sommer 2019 eine Geschäftsstelle in Erfurt aufbauen. Im Herbst starte dann der Vorbereitungsprozess in mehr als 20 Arbeitskreisen. Zum Veranstaltungskonzept gehören nach seinen Angaben neben Gottesdiensten und Gesprächsgruppen auch Konzerte, Workshops und viele kreative Angebote.


Methodisten streiten über Abstimmung zur Homosexualität

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Männer auf Regenbogenflagge

© Foto: DusanManic/istockphoto/Getty Images

Zwei Männer sitzen auf einer Parkbank auf einer Regenbogenflagge.

Die weltweit rund zwölf Millionen Mitglieder zählende Evangelisch-methodistische Kirche streitet über eine Grundsatzabstimmung zum Umgang mit Homosexualität.

Ende Februar hatten die Delegierten der Generalkonferenz auf ihrer Tagung in den USA ihre restriktive Haltung vor allem gegenüber gleichgeschlechtlichen Ehen bestätigt. Danach kam es zu Spannungen, einige warnten bereits vor einer Spaltung der Kirche. Nun sei eine Untersuchungskommission eingerichtet worden, um möglicherweise irreguläre Stimmabgaben im Februar zu prüfen, teilte der Informationsdienst der Kirche mit.

Bei der Versammlung in St. Louis im US-Staat Missouri stimmten die Delegierten nach einer emotional geführten Debatte mit 438 zu 384 Stimmen für ein Papier, dem zufolge die Kirche an ihren Vorschriften gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und gegen in Partnerschaft lebende schwule und lesbische Pastoren festhält. Fragen über die Teilnahme von nicht stimmberechtigten Delegierten wurden in der vergangenen Woche erstmals in der Tageszeitung "New York Times" aufgeworfen.

Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe

"Wenigstens vier Stimmzettel" wurden laut "Times" von nicht autorisierten Personen abgegeben. Die Zeitung berief sich auf Kirchendokumente und Interviews. Die Personen sollen aus afrikanischen Kirchendelegationen stammen, die entscheidend gewesen seien bei der bewilligten Resolution. Im Informationsdienst der methodistischen Kirche ist von "einer sehr begrenzten Zahl" irregulärer Stimmen die Rede. Laut dem Sekretär der Generalversammlung, Gary Graves, ist die Zahl nicht hoch genug, um das Resultat der Abstimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe zu verändern.

Allerdings sei eine Entscheidung der Generalversammlung über den Modus der Abspaltung von Gemeinden von der Kirche mit knappen 402 zu 400 Stimmen getroffen worden. Graves erklärte, er rechne vor Herbst mit dem Bericht der kirchlichen Untersuchungskommission über mögliche Unregelmäßigkeiten.

Unabhängig von der Kontroverse über die Stimmabgabe will der Rechtshof ("Judicial Council") der Evangelisch-methodistischen Kirche bei seiner Sitzung vom 23. bis 26. April prüfen, ob alle Regelungen in dem Beschluss von St. Louis zum Umgang mit Homosexualität mit der Verfassung der Kirche konform sind. Der Rechtshof ist das oberste rechtliche Gremium der Kirche.

Ihre Haltung zur Homosexualität beschäftigt die Methodisten seit Jahren. In den USA haben einige methodistische Pastoren gleichgeschlechtliche Ehen gesegnet. Konservative US-Kirchenmitglieder und besonders alle Mitglieder aus Afrika lehnen das grundsätzlich ab. Rund sieben Millionen der nach Kirchenangaben 12,6 Millionen Methodisten leben in den USA. Dort verliert die Kirche seit Jahren Mitglieder, wie aus Kirchenstatistiken hervorgeht. In afrikanischen Ländern dagegen gewinnt sie stark dazu. Der Methodismus betont verbindlichen Glauben, intensives Bibelstudium, soziales Engagement und praktische Dienste der Nächstenliebe.

Die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) ist eine evangelische Freikirche, die aus einer christlichen Erweckungsbewegung in England im 18. Jahrhundert hervorging. Führende Persönlichkeiten am Anfang der Bewegung waren die Brüder John und Charles Wesley. Zur EmK in Deutschland zählen sich rund 51.000 Kirchenmitglieder und Kirchenangehörige in rund 500 Gemeinden. Die methodistische Kirche ist bewusst nicht nationalstaatlich organisiert, sondern arbeitet über Ländergrenzen hinweg. Die EmK gehört zum Weltrat Methodistischer Kirchen, in dem mehr als 70 Kirchen methodistischer Tradition verbunden sind, zu denen sich über 51 Millionen Menschen zählen.

EAD-Generalsekretär beklagt "Gemeinde-Hopping" vieler Christen

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Kirchenbank

© BorupFoto/iStockphoto/Getty Images

Bald leere Kirchenbänke in der Nachbargemeinde?

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), hat das "Gemeinde-Hopping" vieler Christen beklagt.

Vor allem in Städten gingen viele Menschen nicht mehr über Jahre in dieselbe Gemeinde, sondern wechselten dorthin, "wo der eigene Wohlfühlpegel am höchsten ausschlägt", sagte er bei der Fachtagung "Muslime und Islam" am Sonntag in Bad Blankenburg.

Hartmut Steeb

Natürlich dürfe man sich in einer Gemeinde wohlfühlen, sagte Steeb. Es sei erfreulich, wenn es dort Herzlichkeit gebe und Gottesdienste gut gestaltet sind. Aber man müsse sich fragen, ob es hilfreich sei, eine Gemeinde sofort zu verlassen, wenn es dort menschliche Unzulänglichkeiten und Herausforderungen gebe. Wenn eine Gemeinde wachse, müsse man nüchtern schauen, ob es mehr sei als ein Transferwachstum der einen zu Lasten der anderen Gemeinde. Oft sei es wichtig sich für das tatsächliche Bestehen und Wachsen konstant in einer Gemeinde zu engagieren.

Christlicher Medienverbund KEP benennt sich um

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Der Christliche Medienverbund KEP heißt künftig Christliche Medieninitiative pro. Das beschloss die Mitgliederversammlung des Vereins am Donnerstag, wie KEP am Freitag in Wetzlar mitteilte.

"Christliche Medieninitiative pro - dieser Name drückt aus, wir sind ein frischer Verein, der viel Initiative zeigt", sagte der Vorsitzende Michael Voß. Der Leitsatz laute weiterhin: "Mehr Evangelium in den Medien". All das stecke in dem neuen Namen.

Der Verein ist ein Zusammenschluss christlich-konservativ orientierter Journalisten, Publizisten, Verleger und Vertreter von Medienorganisationen. Er gibt unter anderem die Publikationen "Christliches Medienmagazin pro" und "Israelnetz" heraus, die sowohl gedruckt als auch auf digitalen Plattformen veröffentlicht werden. Weitere Arbeitsbereiche sind die Christliche Medienakademie und das Journalistennetzwerk Publicon. Seit 1988 verleiht der Verein den Medienpreis "Goldener Kompass".

Der Verein mit Sitz in Wetzlar firmiert seit 1999 unter dem Namen Christlicher Medienverbund KEP, gegründet wurde er im Jahr 1975 als Konferenz evangelikaler Publizisten (KEP). Die Änderung des Vereinsnamens wird mit der Eintragung in das Vereinsregister in Kraft treten.

Mehr als Dildos

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Das Angebot des christlichen Sexshops "Schöner lieben" richtet sich an junge Pärchen, Ehepaare, Singles, Christen und Nicht-Christen.

© epd-bild/Werner Krüper

Artikel aus dem Sortiment des ersten christlichen Sexshop "Schöner lieben" in Bielefeld. Das Angebot richtet sich an junge Paerchen, Ehepaare, Singles, Christen und Nicht-Christen.

Sexshop mit "christlichen Werten" präsentiert sich auf Kirchentag
Penisringe, Liebeskugeln und Bodypainting-Farbe mit Geschmack - im Online-Erotikshop "Schöner lieben" gibt es alles, was das Liebesleben spannender machen soll. Die besondere Geschäftsidee: Die Inhaber werben mit "christlichen Werten".
16.04.2019
Carina Dobra
epd

Auf den ersten Klick sieht alles aus wie in einem herkömmlichen Online-Sexshop: Auf der Website "schoenerlieben.de" finden sich allerhand Sexspielzeuge sowie Drogerieartikel und Literaturtipps rund um das Thema Erotik. Die Seite ist in roter und weißer Farbe gestaltet, es gibt nur wenige Bilder. Nackte Haut ist darauf nicht zu sehen. Das ist für einen Sexshop dann doch eher ungewöhnlich.

Dahinter steckt ein Konzept, das die Betreiber als einmalig bezeichnen: "Schöner lieben" sei der bundesweit erste "sinnliche Shop mit christlichen Werten", sagen die vier jungen Männer aus Bielefeld, die sich nach eigenen Angaben an ähnlichen Konzepten in den Niederlanden und in den USA orientierten. Bei einer Diskussion über mögliche Geschäftsideen habe der Vorschlag zu dem Shop plötzlich im Raum gestanden, erinnern sich die Mitglieder evangelischer Freikirchen. Alle vier sind um die 30 Jahre alt. Zwei von ihnen sind verheiratet, einer hat eine Freundin, der vierte im Bunde ist Single. Für den weiblichen Blickwinkel holen sich die Männer regelmäßig Tipps von ihren Partnerinnen.

Gerhard Peters, Jonathan Peters, Timon Rahn, Wellington Estevo (v.li.) präsentieren eine Auswahl von Artikeln aus ihrem Online- Erotikshop.

"Keine Nacktheit, keine Pornografie", erläutert Timon Rahn, einer der Gründer, die Philosophie. Interessierte sollten sich in Ruhe auf der Seite umsehen, ohne ständig von nackten Frauen abgelenkt zu sein. "Unser Sexshop bietet viel mehr als Dildos", betont das Team. "Wir wünschen uns, dass unsere Besucher dazu angeregt werden, in ihrer Partnerschaft zu experimentieren, damit der Sex innerhalb der Ehe so spannend und interessant bleibt."

Diskussionen in Gemeinden

Treue ist für die Shop-Betreiber nach eigenen Angaben ein wichtiger christlicher Wert, auch wenn "keine Richtlinie für den moralisch korrekten Umgang mit Sexualität" gegeben werden solle. Viel wichtiger als irgendwelche Hilfsmittel seien für guten Sex zudem Liebe, Vertrauen und eine offene Kommunikation innerhalb der Beziehung. Sex müsse auch innerhalb christlicher Gemeinschaften zu einem offenen Gesprächsthema werden, fordern die vier Männer, von denen einer studiert und drei eine Grafikagentur betreiben.

Etwa hundert Leute besuchen nach ihren Angaben pro Tag den Internet-Shop. Während Freunde und Familien positiv auf das Geschäftsmodell reagiert hätten, habe es zumindest in der früheren christlichen Gemeinde von Mitgründer Gerhard Peters Diskussionen gegeben. Heute ist keiner der vier mehr in einer Gemeinde aktiv. So richtig gut sei die Idee für den Erotikshop dort nirgends angekommen. In vielen Gemeinden sei das Thema überwiegend Neuland, meint Rahn. "Wir wollen das Thema aus der Schmuddelecke ziehen" - unter anderem mit einem Blog zu Themen wie "Sex und Wechseljahre" oder "Erogene Zonen".

Auch in sozialen Netzwerken präsentiert sich der Sexshop ohne eine Spur von entblößten Brüsten oder Tiger-Tangas. Stattdessen finden sich Bilder von Landschaften und verliebten Paaren. Facebook und Co. taugen ohnehin kaum als Werbeplattform, weil sie die Vermarktung erotischer Inhalte und Produkte verbieten. Deshalb setzt das junge Unternehmen in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Veranstaltungen. So waren die Gesellschafter beim christlichen Musikfestival "Freakstock" im vergangenen Jahr mit einem Stand vertreten, an dem viele Menschen stehengeblieben seien. Auch beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, der vom 19. bis 23. Juni in Dortmund stattfindet, bewarb sich das Unternehmen um einen Stand auf der "Messe im Markt". Dort sind mehr als 70 kirchliche, zivilgesellschaftliche und kommerzielle Initiativen im kirchlichen Bereich vertreten, die ihre Projekte oder Produkte präsentieren.

Ihr Profil soll es ihnen laut Kirchentag erlauben, sich mit dem Leitwort und dem Geist der protestantischen Großveranstaltung zu identifizieren. "Was für ein Vertrauen", lautet die Kirchentags-Losung. Die Sexshop-Gründer erhielten zunächst eine Absage, nach einem Konzeptpapier und einer nochmaligen Prüfung gab es aber schließlich doch grünes Licht für "Schöner lieben". Das Thema Sexualität spiele eine große Rolle beim Kirchentag, erklärte dessen Sprecher Stephan von Kolson. In einem eigenen "Zentrum Geschlechterwelten" geht es unter anderem um das Verhältnis von Sexualität und Religionen. Angeboten werden dort auch eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Schöner kommen. Zur Sexualität von Frauen" und ein Workshop "Vulven malen".

Internationaler Jugendtag der Neuapostolischen Kirche

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Internationaler Jugendtag der Neuapostolischen Kirche

© Pr

Vom 30. Mai bis 2. Juni findet unter dem Motto "Hier bin ich" der Internationaler Jugendtag der Neuapostolischen Kirche in Düsseldorf statt.

Die Neuapostolische Kirche erwartet rund 30.000 Jugendliche aus aller Welt zu ihrem internationalen Jugendtag in Düsseldorf. Vom 30. Mai bis 2. Juni stehen unter dem Motto "Hier bin ich" Gottesdienste, Workshops, Gespräche, Vorträge, Konzerte und Aktionen auf dem Programm, wie die Veranstalter am Dienstag in Dortmund ankündigten. Nach mehrsprachigen Gottesdiensten am Abend des 30. wird am 31. Mai die Eröffnung im Düsseldorfer Stadion im Stadtteil Stockum gefeiert.

Die Neuapostolische Kirche (NAK) gilt mit etwa 350.000 Mitgliedern als viertgrößte christliche Kirche Deutschlands. Nach Angaben der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin hat sie mehr Mitglieder als alle evangelischen Freikirchen zusammen. Weltweit bekennen sich den Angaben zufolge mehr als zehn Millionen Menschen zum neuapostolischen Glauben. 1980 waren es noch 1,8 Millionen. Der Zuwachs sei besonders in Afrika stark, wo 80 Prozent der Mitglieder leben. Im deutschsprachigen Raum seien die Zahlen rückläufig, heißt es.

Die Wurzeln der Neuapostolischen Kirche (NAK) reichen in die angelsächsische Erweckungsbewegung im frühen 19. Jahrhundert zurück. Nach mehrjährigen theologischen Gesprächen wurde die NAK im April 2019 als Gast in die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) aufgenommen. In der Schweiz, den Niederlanden und einigen anderen Ländern ist die NAK seit langem Mitglied des nationalen Kirchenrates. Es besteht allerdings keine offizielle Tisch- oder Kanzelgemeinschaft mit anderen Kirchen. Doch die NAK erlaubt ihren Gläubigen die gastweise Teilnahme am Abendmahl anderer Kirchen und lädt auch ihrerseits Gäste zu ihrem Abendmahl ein.

Eingeladen zum Internationalen Jugendtag sind Jugendliche ab 14 Jahren mit ihren Betreuern und junge Erwachsene bis 35 Jahre. Karten gibt es zum Preis von 125 Euro an den Tageskassen vor Ort. Im Preis enthalten sind der Zutritt zu allen Veranstaltungen, die Verpflegung sowie ein Begrüßungspaket.

Generalsekretär: Evangelische Allianz ist nicht "rechts"

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Die Deutsche Evangelische Allianz hat nach Ansicht ihres scheidenden Generalsekretärs Hartmut Steeb in den vergangenen Jahrzehnten ihr Profil als Bewegung zur Einheit der Christen geschärft.

Zum Allianz-Hauptvorstand gehörten inzwischen Vertreter aus 14 verschiedenen Konfessionen und Denominationen, sagte Steeb dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag in Stuttgart. Steeb übergibt am 12. Juni im thüringischen Bad Blankenburg nach über 30 Jahren das Amt des Generalsekretärs an den promovierten Betriebswirt Reinhardt Schink.

Dass die Evangelische Allianz wegen ihrer konservativen Positionen zu Ehe, Familie, Abtreibung und Homosexualität manchmal zur "Neuen Rechten" in Deutschland gezählt wird, hält Steeb für eine Verunglimpfung. "Anstelle von sachlicher Diskussion wählt man eine solche Zuschreibung und meint, damit könne man sich mit den Sachfragen über die Grundwerte unserer Gesellschaft einfach entziehen", sagte er. Tatsächlich gehe es etwa beim Thema Abtreibung auch um Frauenrechte, da immer mehr weibliche Föten nur aufgrund ihres Geschlechts abgetrieben würden.

Besorgt äußerte sich Steeb darüber, dass in den vergangenen Monaten mehrfach christliche Gruppen in Deutschland daran gehindert worden seien, öffentliche Vorträge zu veranstalten. Christen sollten sich aber nicht zurückziehen, sondern ihren Glauben offensiv vertreten und dazu stehen, auch wenn es Nachteile mit sich bringe, unterstrich er.

Die Evangelische Allianz wird nach Einschätzung Steebs zur Hälfte von Christen aus evangelischen Landeskirchen getragen. Während die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Mitglieder verliere, stagnierten die Zahlen bei den Freikirchen. Angesichts einer zurückgehenden Bevölkerung sei Stagnation aber "eigentlich schon Wachstum", sagte der Generalsekretär. Zur Deutschen Evangelischen Allianz gehören nach eigenen Angaben mehr als eine Million evangelikaler Christen.

Führungswechsel bei der Deutschen Evangelischen Allianz

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Bad Blankenburg

©epd-bild / Maik Schuck

Mit einem Gottesdienst und einem Festakt im ostthüringischen Bad Blankenburg ist der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, in den Ruhestand verabschiedet worden.

Führungswechsel bei der Deutschen Evangelischen Allianz: Mit einem Gottesdienst und einem Festakt im ostthüringischen Bad Blankenburg ist am Mittwoch Generalsekretär Hartmut Steeb in den Ruhestand verabschiedet worden.

Zugleich wurde der promovierte Betriebswirt Reinhardt Schink in der Stadthalle in das Leitungsamt des Netzwerks theologisch konservativer und evangelikaler Christen eingeführt. Noch bis September soll Steeb den neuen Generalsekretär bei der Einarbeitung unterstützen.

Hartmut Steeb am 12.06.19.

Steeb arbeitete von 1974 bis 1988 beim Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Zunächst als Generalsekretär der westdeutschen Evangelischen Allianz tätig, übernahm er dieses Amt 1991 auch in der wiedervereinigten Deutschen Evangelischen Allianz. Daneben engagierte er sich in vielen Vereinen, Organisationen und Initiativen für Evangelisation und für das Lebensrecht von Ungeborenen und Sterbenskranken.

Der neue Generalsekretär Schink war seit 1997 im Versicherungskonzern Allianz in verschiedenen Managementpositionen tätig. Er stammt aus Backnang in Württemberg. Seine Familie ist im Pietismus verwurzelt. Wesentliche Impulse erhielt Schink nach Allianz-Angaben durch seine Zivildienstzeit beim Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM), dessen stellvertretender Vorsitzender er seit 2015 in Deutschland ist.

Die Deutsche Evangelische Allianz vertritt nach eigenen Angaben als Dachverband rund 1,3 Millionen evangelikal, pietistisch und charismatisch ausgerichtete Christen aus Landes- und Freikirchen. Gegründet wurde die Allianz 1846 in London als interkonfessionelle Einigungsbewegung. In Deutschland gibt es rund 1.000 örtliche Allianzgruppen. Vorsitzender ist Pastor Ekkehart Vetter, der Präses des freikirchlichen Mülheimer Verbandes. Hauptsitz ist Bad Blankenburg, wo 1886 auch die erste Allianzkonferenz stattfand.


Missbrauchs-Skandale erschüttern US-Baptisten

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Missbrauch in baptistischer Kirche der USA.

©surpasspro/stock.adobe.com/Jim Lopes

In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind 380 Pastoren und Kirchenhelfer des Missbrauchs beschuldigt worden.

Missbrauchsskandale erschüttern den "Südlichen Baptistenverband", die größte protestantische Kirche der USA. Der Umgang mit den Beschuldigungen werde die Kirche auf Generationen hinaus prägen, erklärte der Präsident der "Southern Baptist Convention", Pastor J.D. Greear, zum Auftakt der zweitägigen Jahresversammlung am Dienstag (Ortszeit) in Birmingham im US-Bundesstaat Alabama.

Die US-Zeitungen "Houston Chronicle" und "San Antonio Express-News" hatten Anfang 2019 über Hunderte sexuelle Missbrauchsvorwürfe gegen den Baptistenverband berichtet.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten seien 380 Pastoren und Kirchenhelfer beschuldigt worden, hieß es in den Medienberichten. Die Vorwürfe gelten als glaubwürdig. Rund 200 Beschuldigte wurden den Angaben zufolge bereits verurteilt. Die Zeitungen sprachen von insgesamt 700 Missbrauchsopfern.

In einem für die Jahresversammlung des konservativ und evangelikal geprägten Verbandes mit rund 7.500 Delegierten verfassten Missbrauchsbericht wird beklagt, dass manche Kirchenverantwortliche sich bei Anschuldigungen "mehr um das Ansehen der Kirche" gesorgt hätten als um die Opfer des Missbrauchs. Der 52-seitige Bericht schlug Maßnahmen vor, um Gemeinden aufzuklären und Missbrauch zu verhindern. Man wolle Licht in das "Böse in unserer Mitte" bringen.

Der Bericht war im Juli 2018 von SBC-Präsident Greear in Auftrag gegeben worden. Darin wird der Kirche vorgeworfen, Missbrauchsfälle nicht umfassend genug bei der Polizei gemeldet zu haben

Die Rechtsanwältin Christa Brown, Autorin eines Buches über Missbrauch in der Baptistenkirche ("This Little Light"), beklagte im Informationsdienst baptistnews.com, der Baptistenverband habe sich viele Jahre geweigert, das Ausmaß der Krise zu sehen. Überlebende und Opfer verlangten jetzt eine "unabhängige Datenbank"über beschuldigte und verurteilte Geistliche. Nach Ansicht von Brown muss der Verband einer unabhängigen Kommission Zugang zu den Kirchenakten gewähren.

SBC-Präsident Greear wurde am Dienstag ohne Gegenkandidat wiedergewählt. Der 46-jährige Pastor leitet seit 2002 die "The Summit Kirche" in Raleigh-Durham in North Carolina. Nach Angaben des Südlichen Baptistenverbandes ist die Zahl der Gottesdienstbesucher in diesem Zeitraum von 60 auf beinahe 10.000 angestiegen. Der Baptistenverband insgesamt verliert seit mehr als zehn Jahren allerdings Mitglieder. Jüngsten Angaben zufolge ist die Zahl der Gemeindemitglieder im Jahr 2018 um 1,28 Prozent auf 14,8 Millionen zurückgegangen. Der Südliche Baptistenverband wurde 1845 gegründet.

"Ein Glaube ohne Zweifel wäre ein Computerprogramm"

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Weg zu Gott

©shutterstock/Falcona

Einen Weg zu Gott wählen, trotz Zweifeln, und zum Glauben zurückfinden, ist ein steiniger Weg.

Wie ein Pfarrer mit Zwangsstörungen und Alkoholabhängigkeit lebt
Alkohol, Tabletten und Selbstmordgedanken: All das hat Pfarrer Volker Halfmann hinter sich. Sein von Angst erfülltes Gottesbild trieb ihn schließlich in eine Lebenskrise: Er schrieb Gott einen Hassbrief, kündigte seinen Job – und fand schließlich zum Glauben zurück.

Herr Halfmann, zu was für einem Gott beten Sie heute?

Volker Halfmann: Ich habe einen Gott vor Augen, der mir in Jesus begegnet. Wenn ich Gottes Sohn anschaue, erkenne ich Liebe und Barmherzigkeit. Jesus weint mit den Weinenden und leidet mit den Leidenden. Er ist gerade denen nahe, die am Ende ihrer Kräfte sind und nicht weiter wissen.

Mein Bild von Gott hat sich stark gewandelt: Es ist heute das Gegenteil von dem Bild, das ich seit meiner Kindheit hatte. Dieser Gott war für mich ein unberechenbarer Himmelsdespot, der nur darauf gewartet hat, mich zu bestrafen. Er war für mich niemand, der mich mit Barmherzigkeit angesehen hat. Vor genau diesem Gott habe ich versucht wegzurennen. Dabei war das Schlimme für mich, dass man vor Gott überhaupt nicht weglaufen kann! Denn in Psalm 139 steht: "Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir." Diese Vorstellung war für mich der absolute Horror. Ich hatte das Gefühl, diesem "Big Brother"-Gott nie zu genügen. Ich hatte furchtbare Ängste, die durch meine Zwangsstörung dann schließlich krankhaft wurden.

Trotzdem haben Sie sich als junger Mann dazu entschieden, Theologie zu studieren und als Pfarrer im Bund freier evangelischer Gemeinden zu arbeiten.

Halfmann: Das klingt auch für mich ein bisschen verrückt. Ich wollte ursprünglich Mathematik oder Informatik studieren. In mir gab es dann doch einen Impuls und ich fragte mich, warum ich nicht Theologie studieren sollte. Es kamen aber mehrere Sachen bei mir zusammen: Ich wollte mit dem Studium auch bei meinem Vater Pluspunkte sammeln. Ich war mir zu dem Zeitpunkt aber überhaupt nicht bewusst, was der Beruf eines Pfarrers bedeutet: nämlich, dass man auf Menschen zugehen muss. Das hatte ich erst realisiert, als ich in meinem ersten Gemeindepraktikum war und mich auf der Toilette eingeschlossen hatte. Da dachte ich nur: Hilfe, alle Menschen wollen mit mir reden! Als ich mich für das Studium entschieden hatte, habe ich mich viel mehr darauf gefreut, in der Dogmatik (Anmd. d. Redaktion: Wissenschaft über die Inhalte der christlichen Glaubenslehre) nach Antworten auf existenzielle Fragen suchen zu können.

"Wer weiß, vielleicht war es schon damals Berufung und Gott hatte seine Finger im Spiel?"

Im Frühjahr 2007 waren Sie zwei Monate lang in einer Fachklinik für Suchtkranke. Dort schrieben sie einen Hassbrief an Gott und rechneten mit ihm ab: "Du hast mich kleingemacht, mir das Leben geraubt und mir die Luft zum Atmen genommen", steht darin. Sie kündigten daraufhin ihren Job als Pfarrer, zogen um und machten eine Umschulung zum Medienkaufmann. Waren Sie in dem knappen Jahr ohne Gott glücklich?

Halfmann: Das war sehr ambivalent. Ich habe versucht, ohne den Gott zu leben, den ich bis dahin kannte. Ich wollte endlich ein mündiges Leben führen und entscheiden können ohne in ständiger Angst vor den Strafen Gottes zu leben. Das war harte Arbeit, weil ich das Gefühl nicht automatisch abschütteln konnte. Dort, wo es mir gelungen war, fühlte es sich unglaublich gut an. Ich war befreit von dem Gott, der mich geknechtet hatte.

Gleichzeitig hatte ich aber auch das Gefühl, dass mir ohne die Existenz Gottes etwas in meinem Leben fehlte. Ich bin ein Typ Mensch, der Antworten auf Fragen braucht, zum Beispiel darauf, was nach dem Tod kommt. Aber solche Fragen blieben für mich unbeantwortet. Ich habe damals auch nicht hundertprozentig gottlos gelebt, sondern habe sonntags den Gottesdienst besucht – auf den Wunsch meiner Frau, die nicht wollte, dass unsere Kinder komplett den Kontakt zum Glauben verlieren. Als Kompromiss sind wir dann nicht in den Gottesdienst einer Freikirche gegangen, sondern in der evangelischen Kirchengemeinde Velbert-Nierenhof, in deren Nähe wir damals wohnten.

Wie haben Sie zu Gott zurückgefunden?

Halfmann: Mein neues Konzept war gescheitert: Ich war nicht der Meister meines Lebens, der ich sein wollte. Ich hatte wieder zum Alkohol gegriffen und habe mir dann in der Psychiatrie helfen lassen. Das war mein absoluter Tiefpunkt: Ich hatte mir für meine Familie gewünscht, mein Leben ohne Gott stemmen zu können. Für meinen neuen Job sind wir aus Bayern nach Nordrhein-Westfalen umgezogen. Ich wollte endlich für meine Familie da sein. Meine Seele war aber am Ertrinken und hat um Hilfe geschrieen: Gott, wenn du mich siehst, dann hol mich hier raus, ich kann nicht mehr! In diesem Moment des "Absaufens" hat Gott mich erreicht und ich habe einen Gott kennenlernen dürfen, der völlig anders war als der, den ich bislang kannte. Gott hat mich gerettet. Natürlich falle ich auch heute immer wieder in alte Muster zurück: Bei den Anonymen Alkoholikern habe ich aber gelernt, in einem gewissem Sinne einfältig zu glauben – so wie es ein Kind tut: Ich muss auf Gott vertrauen und akzeptieren, dass es Dinge gibt, die ich nie begreifen werde.

Inwiefern ist es normal, dass auch ein Pfarrer an Gott zweifelt?

Halfmann: Das ist völlig normal! Ein Glaube ohne Zweifel wäre ein Computerprogramm. Vertrauen ist in jeder Beziehung wichtig – auch in der zu Gott. Natürlich hat man als Pfarrer eine Vorbildfunktion. Ich hatte damals immer eine Art Supergeistlichen vor Augen wie ihn Paulus in seinem Brief an Timotheus beschreibt: "Sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Geist im Glauben." Ich glaube auch, dass manche Gemeindemitglieder dieses Bild vor Augen haben. Für mich hat sich das Vorbild-Sein aber gewandelt: Ein Pfarrer sollte den Ehrgeiz haben, sich mit heiklen Themen zu beschäftigen. Er sollte aber auch genauso zu seinen Grenzen und Niederlagen stehen. Ich verstecke meine Person heute nicht hinter meinen Predigten, sondern erzähle offen und ehrlich von meinen Ängsten und Zweifeln.

"Zuzugeben, dass man hingefallen ist, ist auch vorbildhaft."

Sie arbeiten seit Sommer 2012 wieder in Ihrer alten Kirchengemeinde, der freien evangelischen Gemeinde in Karlstadt mit knapp 40 eingetragenen Mitglieder. Wie war Ihr Gefühl, als dorthin zurückgekehrt sind?

Halfmann: Ich war froh überhaupt zurückkehren zu dürfen, weil ich das Gefühl hatte, dass mein Weggang damals zu abrupt war. An das Unvollendete anzuknüpfen fühlte sich für mich gut an. Es war auch ein großer Vorteil, dass die Gemeindemitglieder genau wussten, worauf sie sich mit mir als Pfarrer einlassen würden. Sie kannten mich und damit auch das, was ich ihnen geben kann und das, was ich ihnen nicht geben kann. Das war für mich wie ein Geschenk: Ich musste nicht bei Null anfangen. Ich war aber natürlich auch aufgeregt und unsicher, wie die Gemeindemitglieder auf mich reagieren würden. Ich habe aber viel Wärme erfahren. Viele Geschwister haben mir gesagt, dass sie sich freuen, dass ich zurück bin.

Im vergangenen Februar haben Sie ein Buch veröffentlicht. In "Mein goldener Sprung in der Schüssel" schildern Sie schonungslos ehrlich, wie Sie zum Beispiel Ihren Selbstmord mit einem Motorrad planten. Wie erging es Ihnen während des Schreibprozesses?

Halfmann: Das war nicht leicht. Es hat eine Menge Kraft gesogen, die Gespenster der Vergangenheit so detailliert zu beschreiben. Ich habe mir die schmerzvollen Szenen meiner Vergangenheit noch einmal vergegenwärtigen müssen. Den Großteil hatte ich zwar schon in Therapien verarbeitet, aber die Reflexion ging mir doch nahe, weil ich mir auch bewusst wurde, wie schwierig die Situation auch für meine Familie gewesen sein muss. Zusätzlich traten in der Anspannungssituation, ein Buch veröffentlichen zu wollen, auch wieder meine Zwänge hervor. Ich habe mich auf dünnem Eis bewegt. Seit der Veröffentlichung erlebe ich immer wieder, dass Menschen mir sagen, dass sie meinen Mut bewundern. Ich glaube aber, dass es eher Wut war, die mich zu diesem Akt des Coming-Outs bewegt hat. Ich wollte mich nicht länger mit meinen Problemen verstecken und schämen müssen. Ich wollte dieses ätzende Gefühl abschütteln und den Menschen sagen: So bin ich und so müsst ihr mich akzeptieren.

Wie geht es Ihnen heute und was raten Sie anderen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden?

Halfmann: Ich erlebe im Moment eine Zeit, die eher belastend ist. Ich habe in den vergangenen Monaten über meine Kräfteverhältnisse gelebt. Mein Akku ist leer und da hat sich meine Krankheit zurückgemeldet. Wenn ich aber zurückschaue, hat sich eine Menge verbessert. Ich weiß, dass sich meine Zwänge zurückmelden können. Ich habe heute aber andere Ressourcen, um damit umzugehen. Ich bin in Therapie und meinen Problemen nicht hilflos ausgeliefert. Heute gibt es für mich auch den geistlichen Bereich, der mir hilft – früher hat der mein Leben eher erschwert und war eine zusätzliche Last. Jetzt lässt der spirituelle Bereich meine Seele atmen. In der Stille vor Gott kann ich Kraft und Zuversicht tanken. Was ich allen rate, ist, sich auf keinen Fall zu verschließen, sondern zu reden. Sobald man eine Sprache findet und jemand ein Ohr hat, ist der erste und entscheidende Schritt genommen.

 

Soforthilfe in Krisensituationen gibt es bei der Telefonseelsorge. Anrufe sind (auch anonym) rund um die Uhr möglich, unter 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222.

 

Zum Buch: Volker Halfmann (2019): Mein goldener Sprung in der Schüssel. SCM R. Brockhaus. 272 Seiten. 16,99 Euro.

Bibeltreue Freikirchen

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Was ist die offizielle Meinung der EKD zu Bibeltreuen Freikirchlichen Gemeinden. Sind sie der EKD eher ein Dorn im Auge oder eine empfehlenswerte Alternative? Wie steht die EKD zum freien Ausleben des Glaubens und Nachfolge Jesu ohne Bundesweite Kirche?

Lieber Herr Klause, 

 

zum Verhältnis von Freikirchen und der EKD verweise ich sie gern auf eine Antwort von Frank Muchlinsky. Sie finden diese hier.  

Umfassende Erläuterungen finden Sie außerdem auf diesen Webseiten von evangelisch.de. 

Viel Freude beim Lesen der Artikel, 

Pia Heu

 

Schwul? Lesbisch? Trans? – "Du bist unser geliebtes Kind!"

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Familie Lüdke

© Mario Wezel

Mit dem Coming-Out des Sohnes – er war 12 Jahre alt – begann ein Weg des Suchens und Forschens für Familie Lüdke. "Wir hatten eigentlich keine Ahnung davon, was Transidentität ist", sagt der Vater.

Als einer der beiden Söhne von Gudrun Held ihr sagte, dass er schwul ist, öffnete sie spontan eine Flasche Sekt – eine Reaktion, für die sie sich selbst immer noch dankbar ist. Denn die zweifache Mutter weiß, dass viele Eltern im Moment des Schocks ablehnend auf ihr Kind reagieren. Besonders Eltern aus evangelikalem Umfeld geraten in Konflikt mit ihrem Bibelverständnis. Scham und Sprachlosigkeit sind oft die Folge. Elterninitiativen und ein Seminar der Baptisten bieten Raum für Austausch und Seelsorge.

"Was habe ich falsch gemacht?" Diese Frage stellen viele Eltern, nachdem sich ihr Kind geoutet hat. Gudrun Held, Diakonin im Ruhestand und Mutter eines mittlerweile 46jährigen schwulen Sohnes, hat die Frage bei ihren Beratungsgesprächen für den Verein Befah (Bundesverband der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen) häufig gestellt bekommen und erwidert: "Gar nichts! Das Kind ist halt so geboren worden." Auch Jens Mankel hört die "Schuldfrage" oft – gibt aber keine einfache Antwort. Denn als freikirchlicher Pastor, Gestalttherapeut und Heilpraktiker für Psychotherapie weiß er, dass ein emotionaler und geistlicher Konflikt dahinter stehen kann. Mankel arbeitet als Referent für Seelsorge und Beratung in der Evangelisch-Freikirchlichen Akademie Elstal und bietet dort – zusammen mit anderen – Seminare für Angehörige homosexueller Menschen an. Besonders Eltern kommen mit vielen Fragen und Emotionen: "Da vermischen sich religiöse Glaubensüberzeugungen mit Scham, mit Schuldgefühlen, mit allerlei. Das ist ein unglaublich komplexes Feld."

Neben dem Glauben und den Gefühlen sind es festgefügte Bilder, die Eltern – bewusst oder unbewusst – mit sich herumtragen. Kulturell geprägte Überzeugungen von dem, was "männlich" und "weiblich" bedeutet, was eine Familie ist, wie die Zukunft der Kinder aussehen soll. So ging es Sabine und Klaus-Peter Lüdke, die sich eine Pfarrstelle im württembergischen Altensteig teilen und drei Kinder haben. Ihr jüngstes Kind ist transident, ein Junge im "weiblichen" Körper. Dass die vermeintliche Tochter ein Sohn ist, ging den Eltern nicht leicht in den Kopf. "Wir mussten uns von dem Bild, das wir von unserem Kind hatten, verabschieden und auch darüber trauern, eine Weile", sagt Klaus-Peter Lüdke.

Der Kontakt zu anderen ist wichtig

Mit dem Coming-Out des Sohnes – er war 12 Jahre alt – begann ein Weg des Suchens und Forschens für Familie Lüdke. "Wir hatten eigentlich keine Ahnung davon, was Transidentität ist", gesteht der Vater. "Und bei allem Vermuten waren wir insofern hilflos, als wir gedacht haben: Okay, jetzt muss uns jemand an die Hand nehmen und uns zeigen und erklären, was das ist. Da hatten wir das Glück, dass unser Kind uns auf den Weg mitgenommen hat." Gemeinsam besorgten Sohn und Eltern sich Literatur, schauten Videos an und vor allem: Suchten Kontakt zu anderen Eltern und zu erwachsenen transidenten Menschen. Die Eltern verstanden: "Der Weg unseres Kindes ist jetzt nicht der in eine schlechte Zukunft, sondern er kann auch fröhlich werden, er kann auch sogar mal Familie haben." Deswegen ist der wichtigste Ratschlag von Klaus-Peter Lüdke, "in Kontakt zu kommen mit anderen Eltern, die vielleicht schon ein bisschen voraus sind, die schon manche Krise überlebt haben und die auch schon manche Hilfe gefunden haben".

James Lüdke wurde im Körper eines Mädchens geboren und lebt seit einem Jahr offen als Junge.

Gudrun Held hat nach dem Coming-Out ihres Sohnes angefangen, sich im Verein Befah zu engagieren. Sie war da schon einen Schritt weiter als andere: "Ich bin zu Befah gegangen, weil ich gerne politisch was verändern wollte. Die Gesellschaft war ja nicht besonders aufgeklärt. Durch meinen Sohn habe ich plötzlich festgestellt: Das Leben ist ganz schön anstrengend für schwule oder lesbische Menschen, da möchte ich was verändern." Bei Befah war die resolute Frau dann  enttäuscht: "Da saßen so viele weinende Eltern und ich dachte: Da haben wir doch gar keinen Grund für. Ich habe gesagt: ‚Leute, also irgendwann müsst ihr mit dem Weinen aufhören.'" Andererseits konnte die die Tränen auch verstehen. "Ich denke, das war gut, dass es diese Elterngruppen gab, dass erstmal die Geschichten erzählt werden konnten." Heute sind nur noch wenige Befah-Elterngruppen aktiv: in Gütersloh, in Stuttgart und bei Bedarf in Hannover.

Schamgefühl und Sprachlosigkeit

Zu Gudrun Helds aktivsten Zeiten bei Befah – zeitweise als Bundesvorsitzende – suchten viele Eltern Rat bei ihr, oft auch am Telefon. "Schlimm fand ich, wenn meist Mütter, aber auch Väter sagten: ‚Ich wünschte, mein Kind wäre tot.' Dass sie das besser meinten auszuhalten als ein schwules oder lesbisches Kind, also damit hab ich schon meine Schwierigkeiten." Gudrun Held drückt sich zurückhaltend aus. Was sie wirklich empfindet, ist Wut. Wut auf das konservative gesellschaftliche Umfeld, in dem gleichgeschlechtlich Liebende sich verstecken müssen, in dem nur ja die Nachbarn nichts merken dürfen. Das "Problem" soll aus dem Blickfeld der Eltern verschwinden – tut es aber nicht.

"Scham ist, glaube ich, ein sehr starkes Gefühl", sagt Jens Mankel, der viel in verschiedenen freikirchlichen Gemeinden  unterwegs ist. Immer wieder erlebt er dort, dass die Worte "schwul" oder "lesbisch" Menschen nur schwer über die Lippen kommen, von "trans" ganz zu schweigen. Selbst dann nicht, wenn sich in ihren Reihen jemand geoutet hat. "Im Umfeld einer Gemeinde, die ja so eine kleine Sozialgemeinschaft bildet, wird das sofort offenbar und gleichzeitig herrscht Sprachlosigkeit. Alle wissen es, aber das Gespräch miteinander kommt nicht zustande. Scham hat ja auch viel damit zu tun, dass es nicht aussprechbar, nicht ansprechbar ist." Bei einem Gespräch mit einer Mutter kam Jens Mankel darauf, dass Eltern lesbischer und schwuler Kinder Hilfe brauchen. "Mir wurde deutlich, dass die Eltern überhaupt nicht vorkommen mit ihren Fragen, mit ihren Nöten, mit ihren Kämpfen, mit ihren inneren Konflikten: Was ist jetzt hier biblisch, was ist verantwortbar und was nicht?"

Konflikte mit dem Bibelverständnis

Zusammen mit der Initiative Zwischenraum hat der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Baptisten- und Brüdergemeinden) bisher zweimal das Seminar "‚Mein Sohn ist schwul!'– ‚Meine Tochter lesbisch!'– ‚Und nun?'" angeboten:  "Das Seminar möchte (…) für Angehörige homosexueller Menschen einen vertraulichen und geschützten Raum bieten zum offenen Reden und Hören, zur Entlastung und zur persönlichen und geistlichen Klärung", heißt es in der Beschreibung. Wichtig für Jens Mankel: "Wir wollen nicht ein belehrendes Seminar machen, sondern ein seelsorgliches." Die Eltern haben Gelegenheit, über ihren Konflikt zu sprechen – vielleicht zum ersten Mal nach Jahren oder Jahrzehnten.

Worin der Konflikt gerade für evangelikal geprägte Eltern besteht, lässt sich ungefähr so beschreiben: Auf der einen Seite stehen ihr Bibelverständnis, nach dem Homosexualität "Sünde" ist, sowie ihre Gemeinde mit der Funktion einer Sozialgemeinschaft, die sie unter keinen Umständen verlassen wollen. Auf der anderen Seite steht die Liebe zu ihrem Kind. Ist das Kind nun ein Sünder, eine Sünderin? Kann die Familie dann noch zur Gemeinde gehören? Mit der sexuellen Orientierung des Kindes gerät alles in Wanken: Der Glaube, die Familie, das soziale Umfeld.

Ein bisschen Bibelkunde wird deshalb in das Seminar integriert. "Wir formulieren einen Umgang mit den Bibelstellen, der sie ernst nimmt, wobei ernst nehmen für uns eben auch bedeutet, sie in ihrem Zusammenhang zu verstehen", erläutert Jens Mankel. Es geht um die bekannten Stellen 1. Mose 1,27; 3. Mose 18,22 und 20,13; Römer 1,26-27; 1. Korinther 6,9-10. "Welche Perspektiven eröffnen sich denn, wenn ich sie in ihrem historischen Kontext erfasse und wenn ich sie in Beziehung setze zur Mitte der Schrift, zum Evangelium?", fragt Mankel. "Was ist denn das Profil christlicher Gemeinde nach dem Neuen Testament?Das ist ja die Liebe untereinander! Das versuchen wir beides zu vermitteln und gleichzeitig natürlich auch zu sagen: Es ist immer eine Sache der Auslegung." Wenn zum Beispiel ein Vater bei seinem konservativen Verständnis bleibe, aber zugleich zum eigenen Kind sagen könne: "'Ich denke da anders drüber, aber das trübt nicht unsere Beziehung', das wäre ja ein Riesenschritt", sagt der Seelsorge-Referent.

Geduld und Zeit

Das Aufeinander-Zugehen ist übrigens von beiden Seiten her notwendig. Auch die Kinder können und sollten ihren Eltern helfen – vorausgesetzt, die Eltern signalisieren Offenheit. So war es bei Familie Lüdke: "Wir hatten das Glück, dass unser Kind sich gefreut hat über unsere Unterstützung und  sich dann auch geöffnet hat, was seine Gedankenwelt anging. Wir konnten begreifen, wie schlecht es unserem Kind ging, und es war nicht einfach, offen darüber zu reden. Da musste einfach eine neue Offenheit wachsen."  Bei Familie Lüdke ist es gelungen, weil Eltern und Kind sich getraut haben zu reden. "Wir haben heute ein neues Verhältnis", sagt Klaus-Peter Lüdke. "Kinder, nun habt mal Erbarmen mit uns Eltern", appelliert Gudrun Held besonders an die schon erwachsenen lesbischen Töchter und schwulen Söhne. "Ihr habt ja auch lange gebraucht, bis ihr akzeptiert habt und begriffen habt: ‚Ich begehre das gleiche Geschlecht.' Nun lasst uns Eltern auch mal die Zeit, dass wir erstmal umdenken können." Diese Zeit hätten Eltern wirklich nötig, sagt die 76-Jährige.

Noch mehr Geduld erfordert manchmal das erweiterte Umfeld: Die Großeltern, Onkel und Tanten, die Menschen in der Gemeinde, die Freunde. "Wer weiter weg ist, braucht entsprechend länger, um da auch emotional mitzugehen", ist die Erfahrung von Klaus-Peter Lüdke. Bei manchen Freunden und Verwandten haben er und seine Frau gemerkt: "Okay, die sind jetzt einfach noch nicht so weit, wir müssen ihnen Zeit schenken und ganz viel erklären, damit wir sie mitnehmen können." Um in einer guten Weise auf die erweiterte Familie zugehen zu können, brauchen Eltern erst einmal Selbstsicherheit. Sie brauchen aussprechbare Worte und Sätze. "Wenn ich es selber – auch da, wo ich noch unsicher bin – erstmal formulieren kann, es benennen kann, dann finde ich auch Wege, es anderen zu sagen", erläutert Jens Mankel. Das gelinge allerdings nicht immer ohne Schmerzen und Erschütterungen in den Familien. "Ich finde, die Frage ist ja: Trage ich diesen Schmerz und diese Erschütterungen allein in mir? Oder gibt es eine Möglichkeit, das auch zusammenzutragen? Den Großeltern, der Tante zu sagen: ‚Ja, das ist jetzt schwierig. Jetzt lasst uns mal gucken: Wie können wir denn damit umgehen?' Man sollte sie mit ins Boot holen."

Die eine grundlegende Entscheidung bleibt den Eltern allerdings nicht erspart: Die Entscheidung nämlich, sich hinter ihr Kind zu stellen – bei aller Trauer, bei allem Noch-nicht-Verstehen und trotz der Scham- und Schuldgefühle. Für Klaus-Peter Lüdke ist das selbstverständlich: "Die Haltung, die ich allen Kindern und allen Eltern wünsche ist, dass die Eltern sagen: ‚Egal, was du empfindest, wie du bist, wie du mal orientiert sein wirst – das spielt für uns keine Rolle, du bist für uns unser geliebtes Kind. Und auch wenn sich jetzt in unser Wahrnehmung was ändert: Wir unterstützen dich auf deinem Weg."

Von Juden, die an Jesus glauben

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Messianische Gemeinde in Frankfurt.

©epd-bild/Heike Lyding

Ein jüdisches Gemeindemitglied der messianischen Gemeinde in Frankfurt bläst das Schofarhorn.

Christen glauben an Jesus, Juden nicht. Dass es Menschen gibt, die sich Juden nennen und Jesus als Erlöser anerkennen, stößt nicht nur auf Unverständnis, sondern auch auf Ablehnung - vor allem unter Juden.

Ein Hinterhof im Frankfurter Nordend. In einem weiß getünchten Raum im Souterrain feiern 30 Menschen einen Gottesdienst: Die Kerzen auf einem siebenarmigen Leuchter, der Menora, brennen - aber auf den Tischen sind Bibeln ausgelegt. Die Gläubigen singen hebräische Psalmen - und sie preisen Jesus Christus. Dimitri Gorin steht am Altar und liest erst aus dem Alten, dann aus dem Neuen Testament.

Es ist Freitagabend, die Gruppe feiert Schabbat. Die 30 Gläubigen gehören zur messianischen Gemeinde in Frankfurt. Messianische Juden glauben an Jesus, oder Jeschua, wie er auf Hebräisch heißt. Mit dem Christentum verbindet sie der Glaube an die Dreieinigkeit aus Vater, Sohn und Heiligem Geist. Gleichzeitig feiern sie jüdische Feste wie Pessach und Jom Kippur und befolgen die jüdischen Speisevorschriften.

Das Ehepaar Gorin und ihre Gemeinde glauben, dass Jesus wiederkommen und endgültig für Frieden sorgen wird. Juden, die an Jesus glauben, oder Christen, die nach den religiösen Vorschriften des Judentums leben - messianische Juden scheinen keiner der beiden Glaubensgruppen anzugehören. Und so sind sie Kritik sowohl von jüdischer als auch von christlicher Seite ausgesetzt. Die Kritik bezieht sich vor allem auf den Missionsauftrag der Bibel, den die messianischen Juden ernst nehmen. Evangelikale Missionswerke wie "Juden für Jesus" mit Sitz in den USA sind nach eigenen Angaben weltweit aktiv.

Vorbeter Dimitri Gorin (2.v.r.) und seine Frau Elizabeth (am Klavier) feiern mit Mitgliedern der messianischen Gemeinde Gottesdienst.

Der Heilige Geist ist für Dimitri Gorin ein Geschenk, das jeder Gläubige weitergeben kann. "Viele trauen sich aber nicht, von ihrem Glauben zu sprechen", sagt er. Die Judenmission stößt unter Juden auf massive Ablehnung. "Dass es heute Gruppen gibt, die sich Juden nennen, zugleich an Jesus als Erlöser glauben und andere Juden dazu bekehren wollen, ist völlig inakzeptabel", sagt der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster. "Messianische Juden sind keine Juden. Sie segeln unter falscher Flagge." Der Zentralrat unterhält keine Kontakte zu messianischen Gemeinden.

Identitäten überschneiden sich

Die Evangelische Kirche in Deutschland lehnt in einer Stellungnahme alle Bemühungen ab, "Juden zum Religionswechsel zu bewegen". Auch der Vatikan missbilligt eine institutionelle Judenmission. "Die Kritik an den Missionstätigkeiten der messianischen Juden bezieht sich im Wesentlichen auf die jüdische Grunderfahrung, durch alle Epochen hindurch von christlichen Missionaren verfolgt zu werden", sagt der Religionswissenschaftler Nathanael Riemer vom Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft der Universität Potsdam. Weltweit gibt es nach Schätzungen der Organisation "Juden für das Judentum" etwa 350.000 messianische Juden. In Deutschland bestehen nach Angaben der EKD rund 40 messianisch-jüdische Gemeinden mit rund 2.000 Mitgliedern, viele davon sogenannte Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion.

Auch die Gorins kamen durch Mission zur Gemeinde der messianischen Juden. Die Familie stammt aus Kasachstan und wanderte 1992 nach Deutschland aus. Dimitri Gorin kommt aus einer jüdischen Familie. Die Vorfahren seiner Frau hingegen sind Russlanddeutsche. Sie seien Mitglieder bei den Mennoniten, einer evangelischen Freikirche, gewesen, praktizierten aber nicht, erzählt Elizabeth Gorin. Sie fühle sich weder eindeutig christlich, noch jüdisch, sagt sie. Im Judentum fehle ihr Jesus, in christlichen Gottesdiensten die Tiefe der jüdischen Lehre. "Und ich verstehe nicht, warum die Christen die alten Bräuche und Feste ignorieren und durch neue ersetzt haben", sagt sie.

Das sei typisch für Gemeinden der messianischen Juden, sagt Religionswissenschaftler Reimer. Es gebe häufig sich überschneidende Identitäten. "Grundsätzlich geht das jüdische Religionsgesetz aber davon aus, dass niemand sein Jude-Sein verliert, wenn er konvertiert", sagt er. Dimitri Gorin spricht ungern von Konversion. "Meine Verwandten beschimpften mich als Verräter, nachdem ich zum Glauben gekommen war", erzählt er.

Der siebenarmige Leuchter - die Menora, und die Bibel in der Gemeinde in Frankfurt.

Die Reaktion habe ihn aber nicht abgehalten, mit seiner Familie über Jesus zu sprechen. Die Gorins legen die Bibel streng aus. Alle biblischen Gebote werden befolgt. Dimitri Gorin mag es genau. "Ich bin Mathematiker, vielleicht liegt es daran", sagt er. Doch spricht die Naturwissenschaft gegen das, was in der Bibel steht, vertraut er lieber der heiligen Schrift: Schöpfungsgeschichte statt darwinsche Evolutionstheorie.

Laut Gorin kommen nicht nur gebürtige Juden in die Gemeinde. "Bei uns gibt es zum Beispiel einen ehemaligen Buddhisten", sagt er. Die Gemeinde trifft sich alle zwei Wochen zur Schabbatfeier am Freitagabend. Beendet wird die Zusammenkunft traditionell mit Wein, Brot mit Salz und einem herzlichen "Schabbat Schalom". Den Samstag verbringen die Gläubigen dann mit Einkehr, Gebeten und Jeschua - nicht jüdisch, nicht christlich, sondern eben messianisch.

Bauen bis zum Jubiläum

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Herrnhuter Kirchensaal

© Bildarchiv Monheim/akg-images GmbH

Die Herrnhuter Brüdergemeine startet ein Millionen-Projekt: Bis 2022 soll der Kirchensaal nach historischem Vorbild saniert werden, einschließlich Orgel.

In Herrnhut beginnt die Sanierung des Kirchensaals
Die Herrnhuter Brüdergemeine startet ein Millionen-Projekt: Bis 2022 soll der Kirchensaal nach historischem Vorbild saniert werden. Doch es sind noch etliche Fragen offen.

Mitten im Ort, gleich neben dem früheren Wohnhaus des Stadt- und Kirchengründers Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) steht die Kirche der Herrnhuter Brüdergemeine. Das Gebäude mit den Seitenflügeln und dem schönen Dachreiter ist außen saniert, innen jedoch in die Jahre gekommen. "Seit den 1950er Jahren ist nicht mehr viel passiert", sagt die Vorsitzende des Fördervereins des Kirchensaals, Angelika Doliv. Die technische Ausstattung im Saal und den Nebenräumen habe quasi noch den Standard von damals.

Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und der nicht atmungsaktiven Farben aus DDR-Zeiten seien die Wände von Schimmel befallen. Zeit also zum Handeln. Nach anfänglichem Zögern will es die kleine Kirchgemeinde mit etwa 500 Mitgliedern wagen: Das Innere der Herrnhuter Kirche soll komplett saniert werden - einschließlich Orgel. Den offiziellen Start der Bauarbeiten feiert die Brüdergemeine an diesem Sonntag mit einem Gottesdienst.

Für die Gesamtsanierung sind knapp drei Millionen Euro veranschlagt. Es gibt bereits Fördermittel von Bund und Land. Zudem sollen Kosten durch Stiftungen, kirchliche Zuschüsse und aus Spenden gedeckt werden. Etwa 500.000 Euro fehlen noch.

Bis zum Jubiläumsjahr 2022, dem 300-jährigen Bestehen von Ort und Herrnhuter Brüdergemeinde, sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Die Sanierung erfolgt nach historischem Vorbild - und zwar analog dem Zustand vor 1945. Eingebaut wird unter anderem wieder eine zweite Empore. Auch der Fußboden, der Eingangsbereich und die technische Ausstattung werden modernisiert. Für die gewünschte Barrierefreiheit soll künftig ein Fahrstuhl sorgen.

Die Siedlung Herrnhut, heute eine Kleinstadt im ostsächsischen Landkreis Görlitz, wurde 1722 von Glaubensflüchtlingen aus Böhmen gegründet. Das Land dafür hatte ihnen der vom Pietismus geprägte Reichsgraf Zinzendorf zur Verfügung gestellt. Er gilt auch als Gründer der Brüdergemeine, der sogenannten Brüder-Unität. Herrnhut ist der Ursprungsort dieser evangelischen Freikirche mit Gemeinden in mehr als 40 Ländern auf fünf Kontinenten.

Saal fiel Brandstiftern zum Opfer

Das historische Herrnhuter Kirchengebäude mit dem ersten "Betsaal" war 1756/57 im Stil des sächsischen Landbarocks errichtet worden. Im Mai 1945 wurde es durch Brandstiftung nahezu vollkommen zerstört und zwischen 1951 und 1956 wieder aufgebaut. Für die geplante Rekonstruktion des Innenraumes gibt es etliche Unterlagen und Fotos.

Aber nicht alles der früheren Ausstattung passt zum heutigen Geschmack und zu den Anforderungen einer modernen Gemeinde. "Wir wollen einen Saal, der unserem Lebensgefühl entspricht, nicht dem des 18. Jahrhunderts", betont Pfarrer Peter Vogt. Der Kirchensaal sei "ein lebendiger Ort des Glaubens, der Begegnung und der Kultur". Er werde auch von der Schule und der Diakonie im Ort genutzt.

Orgelsanierung schon beschlossen

Unter anderem müsse diskutiert werden, ob die umlaufende hölzerne Wandverkleidung, die sogenannte Lambrie, wieder genauso eingebaut wird wie vor der Zerstörung, sagt Vogt. Jahrzehntelang fehlte sie. Im originalgetreuen Nachbau würde die dem Saal Licht nehmen, jedoch auch eine bessere Akustik und Dämmung bringen.

Die zweimanualige Schuster-Orgel von 1957 wird im Gottesdienst am Sonntag zum vorerst letzten Mal gespielt. Nächste Woche soll sie ausgebaut und danach von in der Bautzener Firma Eule saniert und um ein Manual erweitert werden. Sie kehrt voraussichtlich erst im Frühjahr 2022 zurück.

Fördervereinsvorsitzende Doliv bezeichnet das Bauvorhaben als ein "Wahnsinnsprojekt". Dennoch bleibt die Gemeinde in Bodenhaftung. "Die Gottesdienste feiern wir auf der Baustelle", sagt Doliv. Die Kirchenbänke - schneeweiß und ein "Markenzeichen" der Herrnhuter - können variabel aufgestellt werden. Viele Gemeindemitglieder wollten auf "ihren" Saal nicht verzichten, sagt Doliv.

Und noch ein großes Vorhaben steht neben Jubiläum und Sanierung auf der Liste: Die Bewerbung des Ortes Herrnhut bei der Unesco als Weltkulturerbe - zusammen mit der Gemeinde Bethlehem im US-Bundesstaat Pennsylvania, die auch über einen historischen Siedlungskern der Brüdergemeine verfügt. Es sei ein Folgeantrag, sagt Vogt, denn Christiansfeld in Dänemark - mit einer ebenfalls gut erhaltenen Siedlung der Herrnhuter - wurde bereits 2015 von der Unesco anerkannt.

Der Festgottesdienst zum Start der Bauarbeiten an der Herrnhuter Kirche findet am Sonntag, 18. August, um 9.30 Uhr, statt.

Ein Ausweg für alle Probleme?

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Kirche "Igreja Universal do Reino de Deus" in Sao Paulo

© imago/Fotoarena

Anstehen für den Gottesdienst bei der Kirche "Igreja Universal do Reino de Deus" in Sao Paulo, deren Sitz die Form des Tempels von Salomon hat

Die "Universalkirche vom Reich Gottes" ist auch in Deutschland auf dem Vormarsch
Die aus Brasilien kommende "Universalkirche vom Reich Gottes" gewinnt rasant an Mitgliedern. Die offenbar mit Präsident Bolsonaro eng verbundene neo-pfingstlerische Gemeinschaft verspricht die Beseitigung aller Probleme: mittels Glaube - und Geld.

Die einstigen Volkskirchen sind auf dem Rückzug, vor allem in Deutschland. Evangelische und katholische Gemeinden verlieren viele ihrer Gläubigen. Die charismatischen Pfingstkirchen aber melden enorme Mitgliederzuwächse, vor allem in Lateinamerika, Afrika oder Asien. Aber auch in Deutschland versuchen sie zunehmend, Fuß zu fassen.

Symptomatisch für diese Entwicklung steht die Neue Nazarethkirche am Leopoldplatz in Berlin-Wedding. Die mächtige Kirche im neugotischen Stil wurde 1893 eingeweiht. Sie war die zweite Predigtstätte der aus allen Nähten platzenden Arbeitergemeinde. Der fast 80 Meter hohe Turm mit dreifachem Glockengeläut rief Sonntag für Sonntag die Evangelischen zum Gottesdienst. Doch genau 100 Jahre später war damit Schluss.

Die Kirche wurde entwidmet und an den Bezirk veräußert, der den Sakralbau 1993 für heute umgerechnet 245.000 € an die Freikirche "Gemeinde Gottes Deutschland" weiter verkaufte. Diese wiederum hat die ehemals evangelische Kirche nun an das "Hilfszentrum Universal" vermietet. Das will die Neue Nazarethkirche jetzt gleich ganz kaufen.

Denn das Hilfszentrum scheint Erfolg zu haben und mehr und mehr Leute anzuziehen. Einen Altar gibt es hier nicht mehr, sondern nur noch ein ausladendes hölzernes Predigtpult. Dahinter, an der weiß getünchten Wand nebst Kreuz eine neonlichtverstärkte Schrift: "Jesus Christus ist der Herr". Davor sind Stühle gestellt.

Innenraum der Neuen Nazarethkirche.

Mindestens viermal am Tag außer Samstags wird hier Gottesdienst gefeiert. Die Predigt ist auf Deutsch und wird simultan via Kopfhörer auf Portugiesisch übersetzt. Augenscheinlich stammen die meisten der Besucher aus Brasilien. Der Pastor redet sich schnell in Rage: Es gebe einen Ausweg für alle Probleme. Egal in welchem Lebensbereich, ob finanziell, gesundheitlich, geistlich, seelisch, im Gefühlsleben oder Allgemein. Schon im Kirchen-Vorraum steht ein "Gebetspunkt", eine Art Stehtisch. Mit dem Versprechen: "Werden Sie frei von der Depression. Ohne Krankenhausaufenthalt, ohne Medikamente und kostenlos". Und das alles in drei Minuten, suggeriert eine aufgedruckte Uhr mit rot markiertem Minuten-Abschnitt. Anders als bei einem Arzt braucht man dafür keinen Termin. Die Kirche ist zumindest tagsüber fast immer offen.

Wie das aber genau mit den Heilungen gehen soll, und ob da wirklich kein Geld im Spiel ist, wollen die Pastoren der Kirche nicht beantworten. Ton- und Bildaufnahmen sind unerwünscht. Das könnte daran liegen, dass das Hilfszentrum Teil der brasilianischen "Universalkirche vom Reich Gottes", auf Portugiesisch "Igreja Universal do Reino de Deus" ist. Sie wurde erst 1977 gegründet und ist zu einer der größten neu-pfingstlerisch-charismatischen Kirchen Brasiliens geworden, die auch erheblichen Einfluss auf die Politik hat.

Edir Macedo bei der feierlichen Eröffnung des Tempels von Salomon der Kirche "Igreja universal do Reino de Deus" in Sao Paulo im Jahr 2014.

"Dem jetzigen Präsidenten Bolsonaro wird nachgesagt, dass er enge Kontakte hat zum Gründer der Kirche, dem selbsternannten Bischof Edir Macedo. Dieser war ursprünglich ein einfacher Angestellter. Die Geschichte der Universalkirche ist begleitet von Skandalen. Da geht es um den Vorwurf der Veruntreuung von Spendengeldern, um Geldwäsche, sogar Kindesentführung", weiß Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen EZW in Berlin.

Er versucht, die wenigen ihm vorliegenden Informationen zusammenzufassen. Denn die brasilianische Universalkirche hält sich auch gegenüber kritisch nachfragenden Sektenexperten bedeckt.

Megakirchen mit Helikopterlandeplatz

Auf mehrfache schriftliche Anfrage teilt Pastor Ulices Vidal vom Berliner Hilfszentrum mit: "Der Bischof Macedo lebt von seiner pastoralen Tätigkeit und dem Urheberrecht, dass er aus den zig Millionen verkauften Büchern erhält. Es gibt verschiedene Pastoren, dass aus der Kirche entlassen wurden und somit durch 'Fake News' sich rächen wollen. Die Kirche hält sich an das Gesetz und lebt eng mit den Steuerbehörden zusammen. Es ist absolut falsch, dass sie Geldwäschepraktiken hat." (sic!)

Auch den Vorwurf der Kindesentführung weist Ulices Vidal zurück. Im Vordergrund sollen offensichtlich nicht die mutmaßlich dunklen Seiten stehen, sondern der strahlende Erfolg, versinnbildlicht in gleißend hellen Megakirchen mit eigenen Medienproduktionsräumen oder Helikopterlandeplatz. Während die etablierten Kirchen schrumpfen, so die architektonische Botschaft, können die Gebäude der Universalgläubigen gar nicht groß genug sein. Das Geschäftsmodell: Nur wer seiner Kirche viel Geld spendet - mindestens 10% des eigenen Vermögens und am besten noch mehr - den wird Gott mit Gesundheit, Reichtum und Wohlstand belohnen, verspricht der charismatische Bischof Macedo. Mittlerweile gehören ihm unter anderem dutzende Radio- und Fernsehstationen.

Heilungsoptimismus, der auch verletzend wirken kann

"Dass man darauf hereinfällt, mag für uns verwunderlich sein. Aber es geschieht in Kontexten, wo die Not so groß ist, dass die Versprechungen das überwölben und attraktiv erscheinen. Dann die vielen Zeugnisse in  Gottesdiensten oder im Internet: Menschen sagen, wie sie ihre Heilung erfahren haben. Was sie jetzt für ein glückliches Leben führen, welchen Wohlstand sie erreicht haben. Das verleitet Menschen offensichtlich dazu, den Verstand an die zweite Stelle zu setzen", versucht Eißler den Erfolg der Pfingstkirche zu erklären.

Die Universalkirche hat nach eigenen Angaben weltweit neun bis zehn Millionen Anhänger. In Deutschland tritt sie in bisher elf Städten unter dem Titel "Universal-Hilfszentrum" auf. Der nationale Hauptsitz ist in Berlin-Wedding. Für den langjährigen Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Reinhard Hempelmann, sind die Heilsversprechen problematischer Teil einer weltweit erfolgreichen pfingstlich-charismatischen Bewegung: "Sie können in manchen Pfingstgemeinden einen fast grenzenlosen Heilungsoptimismus vorfinden, der aber in Konsequenz auch verletzend wirken kann. Menschen wird quasi in Aussicht gestellt: Du kannst ganz schnell heil werden, du kannst ganz schnell die Probleme deines Lebens lösen. Und die Erfahrung zeigt, dass dies nicht möglich ist."

Wer krank bleibt, hat zu wenig geglaubt und gespendet

Alles Schlechte ist nach pfingstlich-charismatischer Lesart Folge persönlicher Sündhaftigkeit. Wer Misserfolg hat oder krank bleibt, hat eben zu wenig geglaubt und zu wenig Geld gespendet. Damit werde großer psychischer Druck ausgeübt, sagen die Kritiker. Ein Teufelskreis.

Bisher ist das Berliner Universal-Hilfszentrum nur Mieter in der Neuen Nazarethkirche. Die neu-pfingstlerische Gemeinschaft will das Gebäude aber kaufen, um ihre deutsche Präsenz ausbauen zu können. Der zuständige Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), zeigt sich wenig begeistert: "Die Universalkirche, das, was da gelehrt und kommuniziert wird, passt nicht in unseren Bezirk. Diese Heilsversprechen, die dort gemacht werden, insbesondere, wenn man viel Geld an den Erfinder dieser Universalkirche gibt, das finde ich unseriös und das wollen wir dann auch nicht in einer ehemaligen bezirklichen Liegenschaft haben."

Der Bezirk hofft, auf Grund einer Vertragsklausel die Kirche zum einstigen Verkaufspreis zurückkaufen zu können, um dort ein soziokulturelles Zentrum zu errichten. Das habe aber nichts mit einer Einschränkung der Religionsfreiheit zu tun, sondern mit einem rein weltlichen Immobilienvertrag, betont der Bürgermeister. Nur sind die Berliner Immobilienpreise seit dem Verkauf 1993 rasant in den Himmel gewachsen und die Universalkirche wird zum Kauf wohl weit mehr Geld bieten können als der arme Berliner Bezirk. Das könnte zu einem Rechtsstreit führen.

Der Berliner Stadtteil Wedding mit der Neuen Nazarethkirche gehört zu den sozial-schwächeren Gebieten Berlins.

Eine einvernehmliche Kommunikation mit der Universalkirche darüber wird es aber wohl nicht geben. Denn jegliche Kritik von außen wird in neo-pentekostalen Kreisen meist als teuflisch-böse zurück gewiesen, sagt EZW-Referent Friedmann Eißler: "Alles was die eigene Kirche in Frage stellt, wird als geistige Anfechtung gedeutet. Insofern ist das eine manipulative Religiosität, eine indoktrinierende Religiosität. Das hat auch mit Gemeinschaftsbildung zu tun. Man bestärkt sich gegenseitig gegen die Angriffe der vermeintlich bösen Welt von außen. Wenn Zweifel bestehen und rationale Argumente kommen, dann heißt es, das sind die Angriffe der Welt."


Leipziger Straßenaktion "Nun danket alle Gott"

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Kirchenlied "Nun danket alle Gott" im "Fränkischen Psalter".

© epd/Daniel Staffen-Quandt

Kirchenlied "Nun danket alle Gott" im "Fränkischen Psalter".

Christen in Leipzig laden für den 5. Oktober zu einer musikalischen Straßenaktion unter dem Motto "Nun danket alle Gott" ein. Mit einem sogenannten Flashmob solle in aller Öffentlichkeit ein Zeichen des Dankes für die friedliche Revolution 1989 gesetzt werden, teilte die Evangelische Allianz am Montag in Leipzig mit. Das Motto der Aktion zitiert eines der bekanntesten deutschen Kirchenlieder.

Nach einem gemeinsamen Auftakt in der Grimmaischen Straße wollen die Teilnehmer aus den Kirchgemeinden sich in Gruppen aufteilen und entlang des Innenstadtrings das Lied noch mehrfach singen. Erwartet werden dazu mehrere hundert Teilnehmer.

Die Evangelische Allianz ist ein Netzwerk vorwiegend evangelikaler Christen aus Landes- und Freikirchen. Johann Sebastian Bach (1685-1750) vertonte den Choral aus dem 17. Jahrhundert als Kantate "Nun danket alle Gott" für mehrstimmigen Chor.

In Leipzig waren am 9. Oktober 1989 von der Nikolaikirche aus rund 70.000 Menschen um den Innenstadtring gezogen und hatten gewaltlos gegen das SED-Regime protestiert. Das Datum gilt als entscheidende Wegmarke der friedlichen Revolution in der DDR. Einen Monat später fiel die Berliner Mauer.

Der "Flashmob - Nun danket alle Gott" beginnt am 5. Oktober, 14.30 Uhr, in der Grimmaischen Straße und Leipzig.

Gesundes Essen und die Bibel im Alltag

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Worin sich Aleviten und Protestanten unterscheiden

© epd-bild / Friedrich Stark

Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Hamburg-Grindelberg feiert ihr Abendmahl am Samstag, dem "Sabbat", wie alle Adventisten. Worin die christliche Gemeinschaft sich noch zu anderen Christen unterscheidet, berichtet eine Gemeinde aus Nürnberger.

Die Siebenten-Tags-Adventisten sind seit diesem Jahr Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen
Sie trinken keinen Alkohol und essen kein Schwein. Sie lesen zusammen die Bibel und diskutieren über Religion. Weltweit leben 20 Millionen Adventisten. Auch in Bayern gibt es Gemeinden.

"Wo Glaube beginnt, wird Gewissheit entstehen, wo Glaube gewagt heut, können Wunder geschehen!" Im Stehen singt die Gemeinde in der Nürnberger Adventisten-Gemeinde ihr erstes Lied im Gottesdienst. Es ist Samstagmorgen, 9.30 Uhr. Der Gemeindesaal ist schon zur Hälfte gefüllt. "Ich darf euch alle herzlich zum heutigen Gottesdienst begrüßen und wünsche uns einen gesegneten Sabbat", sagt Jugendpastor Franklin Schultheiß.

Jugendpastor Franklin Schultheiß steht der Gemeinde Nürnberg-Hohe Marter vor, der zahlenmäßig größten Adventgemeinde Bayerns.

Nach den Begrüßungsworten und einigen Liedern schnappt sich jeder seinen Stuhl und es bilden sich fünf kleine Gesprächsgruppen. Es geht um das Thema "Barmherzigkeit". Der Gesprächsleiter fragt in die Runde, ob jemand in der vergangenen Woche Barmherzigkeit erlebt hat. Es werden Bibeltexte vorgelesen und Fragen dazu gestellt. Dann tritt der Pastor auf ein Podium, um mit seiner Predigt zu beginnen.

Kein Gottesdienst am Sonntag

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten hält ihre Gottesdienste nicht am Sonntag ab, sondern immer schon samstags, dem "Sabbat". "In den zehn Geboten heißt es im vierten Gebot, 'gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst'", erklärt Schultheiß, "daran möchten wir als Adventisten uns halten". Die Bibel spiele für die Glaubensgemeinschaft eine tragende Rolle. Das habe mit der Gründungsgeschichte der Adventisten zu tun habe, erklärt der Theologe.

Als Geburtsstunde der Adventgemeinde wird die "große Enttäuschung" und damit das Ende der "Millerbewegung" 1844 aus den USA betrachtet. Der Laienprediger William Miller war damals zu der Überzeugung gelangt, das Ende der Welt und Jesus sichtbare Wiederkunft auf das Jahr 1844 festlegen zu können. Als diese Voraussage nicht eintraf, zerfiel die Bewegung, deren Mitgliederzahl schätzungsweise bei 100.000 Personen lag, in mehrere Denominationen.

Aus einer davon entwickelte sich die später weltweit vertretene Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, die ihren Fokus auf das Studium der Bibel setzt, erzählt Franklin Schultheiß. Die Bibel sei für sie die einzige Richtschnur des Glaubens. Weltweit gehören der Kirche heute 20 Millionen getaufte Mitglieder an.

In Nürnberg ist die Freikirche mit sechs Gemeinden vertreten. Die Adventgemeinde Nürnberg-Hohe Marter sei zahlenmäßig mit knapp 290 Mitgliedern die größte Adventgemeinde Bayerns, erklärt Pastor Schultheiß. Die Ortsgemeinden seien vor Ort sozial engagiert und würden auch eine eigene, staatlich genehmigte Grundschule betreiben, die Mose Schule Nürnberg.

Fußwaschungen gehören beispielsweise bei der Sabbat-Feier in Hamburg-Grindelberg dazu.

Neben dem Halten des Sabbats zeigt sich die adventistische Glaubensüberzeugung noch in anderen Bereichen des Lebens. Besonderen Wert lege man auf die Gesundheitsbotschaft, erklärt Pastor Franklin. Das bedeute, dass eine gesunde Ernährung für die Mitglieder der Adventgemeinde eine wichtige Rolle spiele. "Als Kirche sprechen wir uns für einen Verzicht von Alkohol und Tabak aus. Wir glauben, dass Gott für uns ein langes, gesundes Leben vorgesehen hat und wir so auch einen besseren Draht zu ihm haben", sagt Schultheiß.

Ganz konkret finden die Adventisten ihre Speisegebote in der Bibel, erläutert der Jugendprediger. Die Speisegebote schreiben den Verzicht von Schweinefleisch, Meeresfrüchten und anderen als unrein bezeichneten Tieren vor, die sich im dritten Buch Mose im Kapitel 11 wiederfinden.

Einstehen für Glaubensüberzeugungen

Dass der adventistische Glauben nicht nur spirituelle Themen umfasse, sondern gerade auch solche praktischen und gesundheitlichen Aspekte mit einbeziehe, überzeugt Harald Dorn. Der 45-Jährige ist schon seit seiner Kindheit Mitglied der Gemeinde. Die Adventisten stünden sehr stark zu ihren Glaubensüberzeugungen, sagt der gebürtige Franke.

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist seit 1993 Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AcK) in Deutschland und seit diesem Jahr auch in der AcK Bayern und somit auch die Adventgemeinde Nürnberg-Hohe Marter.

"Das bedeutet aber, dass man für seine Überzeugungen auch mal Dinge in Kauf nehmen muss". So konnte er an manchen Fortbildungen oder Arbeitsterminen, die am Samstag stattfanden, nicht teilnehmen, sagt er. Für Dorn ist die weltweite Präsenz eine Besonderheit der Freikirche. "Als ich auf Reisen in Neuseeland oder den USA am Samstag dort zur Kirche gegangen bin, wurde ich gleich herzlich von den Mitgliedern begrüßt und von manchen sogar nach dem Gottesdienst nach Hause eingeladen", erzählt er.

Patrick Kagerer kommt seit Anfang des Jahres regelmäßig in die Gemeinde. Das erste Mal hatte er vor sechs Jahren durch eine Freundin von den Adventisten gehört. Ihn beeindrucke vor allem die Nächstenliebe, die er in der Gemeinde erlebt. "Wenn ich mal bei etwas Hilfe brauche, sind sofort Leute bereit, mich zu unterstützen", sagt der 29-jährige Anlagenmechaniker. Seine Familie sei katholisch, erzählt Patrick, aber über das Thema Religion werde nicht wirklich gesprochen. Dagegen lese man in der Adventisten-Gemeinde regelmäßig zusammen in der Bibel und suche nach Bezügen zum Alltag.

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist seit 1993 Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland und seit diesem Jahr auch in der ACK Bayern. Die Adventgemeinde habe ihren Antrag dafür zusammen mit einer langen Stellungnahme eingereicht, die für den Aufnahmeprozess "sehr hilfreich" gewesen sei, sagt der Geschäftsführer der ACK Bayern, Georgios Vlantis: "Es war ein langer Prozess und es mussten Missverständnisse und Vorurteile abgebaut werden."

"Das Problem allgemein ist, dass man meistens übereinander und nicht miteinander redet", fügt der Theologe hinzu. Er sieht deshalb die beantragte Gastmitgliedschaft der Adventisten als gute Voraussetzung für ein stufenweises Kennenlernen. Nur so könne Vertrauen erst aufgebaut werden.

Die Siebenten-Tags-Adventisten

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten ist eine konservativ-evangelikal geprägte Glaubensgemeinschaft, die Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet wurde. Sie ist Gastmitglied in der gesamtdeutschen Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF).

Die Adventisten wurden in der Vergangenheit oft als Sekte oder Sondergemeinschaft wahrgenommen, konnten sich aber über die letzten Jahre weitestgehend von diesem Stigma befreien. Ihren Glauben gründen sie allein auf die Bibel, als inspiriertes Wort Gottes. In 28 Glaubenspunkten hat die Adventgemeinde ihre Glaubensüberzeugungen konkretisiert.

Die Weltgemeinschaft der Adventisten lehnte im Jahr 2015 bei ihrer Versammlung eine Frauenordination mit knapper Mehrheit ab. In bayerischen Gemeinden sind aber mehrere Frauenpastoren tätig, die nach Auskunft zwar keine "Vollordination" hätten, aber das Abendmahl austeilen, taufen und trauen könnten, wie ein Sprecher der Freikirche erklärt.

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten versteht sich nicht als Verband lokaler oder nationaler Kirchen, sondern als eine Weltkirche. Ihre Organisationsstruktur ist dementsprechend weltweit aufgestellt, mit der Generalkonferenz als höchster Verwaltungseinheit. Ihr Sitz ist in Silver Spring USA.

Donald Trumps fromme Wähler

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US-Präsident Donald Trump

© Evan Vucci/AP/dpa

Donald Trump, Präsident der USA, trifft zu einer Wahlkampfkundgebung im Lake Charles Civic Center ein.

In den USA spielt die Religion weiterhin eine große Rolle bei den Präsidentschaftswahlen
In den USA geht die Zahl der Kirchgänger zurück: Etwa zwei Drittel der Amerikaner sind Christen. In den 90er Jahre waren es noch mehr als 80 Prozent. Dennoch braucht im gläubigen Amerika jeder religiösen Rückhalt, der ins Weiße Haus einziehen will.

In den USA ist es mit dem Glauben für die Partei der Demokraten gar nicht so einfach: Viele ihrer Stammwähler - besonders junge - sind nicht religiös. Zugleich stehen viele Demokraten in der Tradition der afro-amerikanischen Kirchen. Der Wahlkampf wird daher zum Spagat: Häufig sprechen sie davon, dass die Moral die Wirtschaftspolitik bestimmen müsse. Präsidentschaftsanwärterin Elizabeth Warren wirbt mit ihrer früheren Tätigkeit als Sonntagsschullehrerin. Dagegen spricht Bernie Sanders so gut wie nie über seine jüdische Identität, Ex-Vizepräsident Joe Biden wenig über seinen katholischen Glauben.

Auf republikanischer Seite bleiben die Verhältnisse übersichtlich. Unter dem Druck eines drohenden Amtsenthebungsverfahrens setzt Trump auf konservativ orientierte, weiße, evangelikale und protestantische Wähler. Die Erwartung der Opposition, der zu Beschimpfungen auf Twitter neigende Präsident werde seine frommen Fans vergraulen, ist nicht wahr geworden. Laut dem Forschungsinstitut Public Religion Research Institute sind 76 Prozent der weißen Evangelikalen mit Trumps Amtsführung zufrieden, wobei 52 Prozent bei einer kürzlichen Befragung die Hoffnung äußerten, der Staatschef werde sich künftig mehr wie seine Vorgänger benehmen.

Demokraten setzen auf "humanistische Werte"

Trump schätzt diese Schützenhilfe. Evangelikale können mit ihren Kirchen und Verbänden Wähler mobilisieren. "Ihr seid die Krieger an der Front zur Verteidigung der amerikanischen Freiheit", sagte der Präsident Mitte Oktober bei einer Konferenz des konservativen Verbandes "Koalition für Glauben und Freiheit". "Extremistische linke Radikale" wollten Tradition und Glauben zerstören, die Amerika zur größten Nation gemacht hätten. Er trete dem entgegen mit der Ernennung "verfassungstreuer" Richter.

Trumps "Make America Great Again" kommt offenbar an in den weißen evangelikalen und protestantischen Kreisen, wo man den Verlust gesellschaftlicher Vorherrschaft erlebt. Justizminister Robert Barr behauptete kürzlich bei einer Ansprache in der katholischen Notre-Dame-Universität in Indiana, die "modernen Säkularisten" lehnten Moralität als "Aberglauben" ab. "Moralischer Relativismus" habe böse Auswirkungen auf die Gesellschaft - von Gewaltverbrechen bis hin zur Todesfällen durch Drogenkonsum.

Demokratische Politiker kalkulieren anscheinend, sie könnten wegen der steigenden Zahl von Wählerinnen und Wählern ohne religiöse Bindung punkten. Der Parteivorstand der Demokraten verabschiedete im August eine Resolution, Menschen "ohne religiöse Bindung" teilten mit großer Mehrheit die Werte der Demokratischen Partei. 70 Prozent von ihnen hätten bei den Zwischenwahlen 2018 demokratisch gewählt. "Universelle humanistische Werte" müssten in der Partei repräsentiert sein.

Weniger Enthusiasmus als Sorge

Präsidentschaftsanwärter Beto O'Rourke hat bei einem Kandidatenforum im Kabelsender CNN mit Ja auf die Frage geantwortet, ob religiöse Einrichtungen und Kirchen ihre Steuerbefreiung verlieren sollten, wenn sie sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe stellen. Reaktionen waren vorhersehbar. Konservativ orientierte Christen sahen ihre These bestätigt, Demokraten stünden dem Glauben feindlich gegenüber. Der Chef-Ethiker in der protestantischen Kirche "Southern Baptist Convention", Russell Moore, sprach von einem "alarmierenden" Vorstoß.

Mehrere demokratische Politiker haben O'Rourke zurückgepfiffen. Besonders schwierig ist die Auseinandersetzung zur Abtreibungsfrage, die Republikaner und Demokraten trennt. Ihr Ja zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch macht demokratische Kandidaten in den Augen vieler Abtreibungsgegner nicht wählbar. Christen müssten gegen die "Abtreibungsindustrie" stimmen, betonte der baptistische Prediger Franklin Graham.

In der evangelikalen Welt wird freilich auch darüber debattiert, ob die Nähe zu Trump wirklich gut ist für den christlichen Glauben. Die evangelikale Bewegung stecke in einer Identitätskrise, warnte der neu gewählte Präsident der "Nationalen Vereinigung der Evangelikalen", Walter Kim, in der Zeitschrift "Christianity Today". Manche Evangelikalen wählen Trump freilich nicht aus Enthusiasmus, sondern aus Sorge um das, was käme, sollte ein Demokrat gewinnen.

Evangelikale in den USA auf der Suche nach ihrem Selbstbild

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Evangelikale Christen in den USA haben oft eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus.

© edwin andrade/unsplash

Die persönliche Beziehung zu Jesus Christus spielt für Evangelikale eine zentrale Rolle.

Meinungsforscher in den USA haben ermittelt, dass etwa drei Viertel der weißen Evangelikalen mit Donald Trumps Amtsführung zufrieden sind. Doch was ist das eigentlich für eine christliche Gruppierung? Wie wird "evangelikal" definiert? Der baptistische Historiker Thomas Kidd legte in diesem Herbst ein Buch zur Geschichte der Evangelikalen in den USA vor ("Who is an Evangelical", Yale University Press).

Im Weißen Haus versammelten sich jüngst rund zwei Dutzend evangelikale Pastoren. Sie beteten für Donald Trump und legten ihm die Hände auf. Sie schätzen dessen Haltung als "Kulturkrieger" und seine Einstellung gegen Abtreibung. Das angestrebte Amtsenthebungsverfahren sei eine Attacke "auf unsere eigenen tief verwurzelten Glaubenswerte", erläuterte der teilnehmende baptistische Megakirchenpastor Robert Jeffress. Der baptistische Prediger Franklin Graham, häufig zitierter evangelikaler Wortführer für republikanische Anliegen, verurteilte auf Facebook das geplante Verfahren gegen Trump als "Inquisition".

Der Historiker und Autor Thomas Kidd versteht sich selbst als evangelikaler Christ.

Das "Museum der Bibel" in Washington sponserte im Oktober eine Gesprächsveranstaltung zur "Krise in der evangelikalen Christenheit". Im allgemeinen Sprachgebrauch sei "evangelikal" heutzutage ein politischer Begriff, bedauerte der Historiker Kidd von der baptistischen Baylor Universität in Texas. Es gebe zudem unterschiedliche Ansichten darüber, was evangelikal bedeutet, heißt es in einem "Baptist Press"-Beitrag, dem Informationsdienst des evangelikal geprägten Südlichen Baptistenverband.

Rechtschaffen, gegen Abtreibung

Er selbst verstehe sich als einen evangelikalen Christen, sagte Kidd dem Evangelischen Pressedienst. Das bedeute: Er sei als Teenager im religiösen Sinn neu geboren worden. Evangelikale definieren sich durch dieses "born again"-Erlebnis, die Treue zur Bibel, eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus und die Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde. In seiner baptistischen Gemeinde spreche man in erster Linie über den christlichen Glauben und nicht über Politik, fügte der Autor Kidd hinzu.

Weiße Evangelikale wählen seit den 1950er Jahren im allgemeinen republikanische Politiker. Diesen werde persönliche Rechtschaffenheit zugebilligt. Zudem würden sie Respekt für die Religion zum Ausdruck bringen, heißt es in "Wer ist ein Evangelikaler". Trump sei diese Vorliebe für die Republikaner zu Gute gekommen, obwohl prominente Evangelikale wegen seines Lebenswandels anfangs skeptisch gewesen seien. Doch Trump habe letztlich viele Evangelikale davon überzeugen können, dass er ihre Anliegen ernst nimmt - vor allem wegen seiner ablehnenden Haltung gegen Schwangerschaftsabbrüche.

Evangelikal nicht gleich evangelikal

Die Unterstützung für Trump bleibt für manche Evangelikale jedoch zwiespältig: Ihnen sei es nicht gelungen, Trumps Politik christlicher zu machen, befand der Redenschreiber von Präsident George W. Bush, Michael Gerson, kürzlich in der "Washington Post". Vielmehr hätten sich viele Evangelikale mehr an Trump angepasst. Der Historiker Kidd sagte, er sei skeptisch bei Befragungen von "Evangelikalen". Er vermute, dass sich viele auf Grund "ethnischer, politischer und regionaler Motive" besonders im Süden der USA selbst als "evangelikal" bezeichneten - ohne es im traditionellen Sinn zu sein.

Bei der Veranstaltung im Washingtoner Bibelmuseum sagte der Leiter der Ethikkommision im Südlichen Baptistenverband, Russell Moore, es gebe derzeit keine Alternative zur Bezeichnung evangelikal. In der Zukunft werde sich die weiße evangelikale Welt jedoch mit den Auswirkungen ihrer Unterstützung für Trump auseinandersetzen müssen, sagte Kidd dem epd.

Das Gesicht des evangelikalen Christentums in den USA verändere sich, fügte er hinzu. Weiße evangelikale Kirchen erlebten wenig Wachstum. Im Gegensatz zu evangelikalen Immigranten-Kirchen aus Mittel- und Südamerika, Afrika und Asien. Und diese Gläubigen hätten oft ganz andere politischen Ansichten.

"Orangen sind nicht die einzige Frucht"

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Jeanette Winterson

Bild: Sam Churchill

Jeanette Winterson

Der Klassiker von Jeanette Winterson wurde neu gedruckt. Katharina Payk hat den Roman mit lesbischer wie religiöser Thematik noch einmal gelesen.

Erinnern Sie sich an Ihr erstes Buch mit einer homosexuellen Thematik? Meines war das beeindruckende Erzählwerk "Orangen sind nicht die einzige Frucht" der britischen lesbischen Schriftstellerin Jeanette Winterson, das 1985 im englischen Original ("Oranges Are Not the Only Fruit") und 1993 erstmals auf Deutsch erschienen ist. Die 2014 erschienene deutschsprachige Taschenbuchausgabe war zuletzt nur mehr gebraucht erhältlich. Nun wurde das berühmte Werk neu gedruckt und ist wieder im Handel erhältlich.

Was passiert, wenn man als queerer Mensch in einer fundamentalistisch-religiösen Umwelt aufwächst? Der stark autobiografisch geprägte Bildungsroman handelt von der Protagonistin Jeanette, die bei Adoptiveltern im englischen Lancashire aufwächst. Ihre Verwandten sind fanatische Mitglieder der evangelikalen Pfingstbewegung. Die Mutter, die in ihrer Tochter die Erwählte sieht, glaubt an die Verbalinspiration der Bibel. Sie malt die Welt in religiösen Bildern schwarz-weiß und habe, so die Ich-Erzählerin zu Eingang des Buches, "noch nie etwas von gemischten Gefühlen gehört. Es gab Freunde, und es gab Feinde."

Die Gemeindemitglieder betreiben exzessive Missionierung und widmen ihr Leben ganz der Kirche. Jeanette ist temperamentvoll und exzentrisch. Ihren Mitschüler_innen jagt sie einen Schrecken ein, weil sie ihnen von der Hölle erzählt. In der Schule wird sie verspottet und gemieden. Ihre Mutter, die den Rest der Welt als ihren Feind auserkoren hat, hat ihre eigene Erklärung dafür: ",Wir sind dazu berufen, ausgesondert zu sein', sagte sie. Meine Mutter hatte auch nur wenige Freunde. Die Leute verstanden nicht, wie ich dachte, ich auch nicht, aber ich liebte sie, weil sie immer genau wusste, wieso etwas geschah."

Eigentlich fühlt sich Jeanette stark verbunden mit ihrer Kirche. Doch dann merkt sie, dass sie sich zu Frauen hingezogen fühlt. Mit sechszehn verliebt sie sich in eine junge Frau. Für sie ist das erst einmal nichts Verwerfliches. Doch sie muss feststellen, dass ihre christliche Umwelt das anders sieht. Die Welt, die ihr immer Halt gegeben hat, fällt auseinander, und sie wendet sich schließlich von ihr ab, um ihren eigenen Weg gehen zu können.

Das Buch ist keine dystopische Moralgeschichte. Spannend, klug und humoristisch beschreibt die Erzählerin ihre eigensinnige Welt: Alles was in dieser vor sich geht, hat für sie eine Erklärung in der Bibel oder durch den Pfarrer. Mitunter kommt etwas sehr Schräges raus, wenn sie die Welterklärungen der Erwachsenen in ihre Lebensrealität überträgt. Schon als Kind hat sie philosophische und ethische Zugänge zu dem, was ihr in der Welt geschieht. Die Erwachsenen – etwa ihre Lehrerinnen – sind nicht immer in der Lage, ihren komplexen Deutungen zu folgen. So bekommt eine Lehrerin auf deren Unverständnis gegenüber einem von Jeanette gebastelten Kunstwerk unmissverständlich zu hören: "Nur weil Sie nicht erkennen können, was es ist, heißt das noch lange nicht, dass es nicht das ist, was es ist."

Wintersons Erzählkunst ist so herausragend, dass man selbst an den Stellen, wo der Irrsinn den gesunden Menschenverstand zu übertrumpfen scheint, schmunzeln mag. Im Leseprozess ist die Ambivalenz von heimeliger Tradition und charmanter Schrulligkeit einerseits und entsetzlicher Ideologie und schwarzer Pädagogik andererseits erfahrbar. Die Autorin vermeidet emotionsheischende Betroffenheit, stattdessen ist der Roman authentisch und kurzweilig.

Ein "lesbisches Buch" sei ihr Roman nicht, hat die Autorin des preisgekrönten Werks einmal betont. Es sei hingegen für alle, die es interessiert, was an den Grenzen des gesunden Menschenverstands passiert. "Do you stay safe or do you follow your heart?"

Sie habe nie verstanden, warum heterosexuelle Literatur für jede_n, aber alles mit einem homosexuellen Charakter oder homosexueller Lebenswelt nur für Queers sein soll, erklärt Winterson.

Vielmehr handelt es sich bei diesem vielfach ausgezeichneten Erzählwerk um einen theologischen Bildungsroman mit einer lesbischen Coming-out-Geschichte. Im Reflektieren über Gott und Kirche, Beziehungen und Liebe, wie es die Protagonistin tut, findet sicher auch der ein oder die andere Leser_in Anstöße fürs eigene Leben und Glauben, damals – zur Zeit der Entstehung des Romans – wie auch heute.

Mit "Orangen sind nicht die einzige Frucht" feierte Winterson, die zahlreiche weitere Bücher veröffentlichte und heute für den Guardian schreibt, ein fulminantes Debüt: Der Roman wurde mit dem Whitbread First Novel Award ausgezeichnet und von internationalen Literaturkritiker_innen und -wissenschaftler_innen zu einem der bedeutendsten britischen Romane gekürt. Die Übersetzung von Brigitte Walitzek erschien 1993 im S. Fischer Verlag. Der Roman wurde zur Vorlage der gleichnamigen Miniserie (deutsche Erstausstrahlung 1993).

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Jeanette Winterson: Orangen sind nicht die einzige Frucht, aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Walitzek, Kein & Aber 2019 (2014)

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